Oswald Keller versucht im mittelalterlichen Wippra, Menschen in einer epidemischen Lage zu helfen. Allerdings wird ihm der Glaube an Gott bei den Bürgern zum Verhängnis. Wie steht es um das Schicksal Kellers?
Der Entwickler Electrocosmos, hinter dem Alexander Leps steckt, hat mit einem kleinen Team am 5. Oktober 2022 das Point-and-Click-Adventure The Plague Doctor of Wippra – zu Deutsch „Der Pest-Arzt von Wippra“ – auf Steam und GOG veröffentlicht. Angehaucht am Stil der Adventures aus dem Anfang der 1990er Jahre klickt sich der Spieler durch den Arbeitstag von Oswald Keller, der als Pest-Arzt in Wippra versucht, teils ignoranten Bürgern mit seinem medizinischen Wissen zu helfen, insbesondere bei der Pest.
Und da reden wir vom Mittelalter, denn es dominiert der Glaube, dass Gott diese Krankheit schon besiegen wird. Bei einigen Bürgern des Städtchens ist der Glaube so fest verankert, dass es für den Arzt schwierig wird, diese vom Gegenteil zu überzeugen. Und wer sich mit der Kirche in den Belangen anlegt, dem droht der Tod wegen Hexerei, Ketzerei und Zauberei. Solchen Gefahren muss sich unser Protagonist stellen. Es wird also nicht einfach.
Nebenbei bemerkt ist der Autor dieses Tests in Wippra bei Sangerhausen geboren. Das Spiel wurde in einer Demo auf der Gamescom 2022 präsentiert und uns wurde bestätigt, dass mit Wippra in dem Spiel auch exakt der Geburtsort unseres Redakteurs Kevin Puschak gemeint ist.
Ein neuer Tag, viele neue Patienten


Die Geschichte beginnt in einer kleinen Wohnung, in dem der Protagonist Oswald Keller einen Brief verfasst, dessen Inhalt in einer Rückblende gezeigt wird. Dort steht der Arzt eines Morgens auf und sucht sich seine Sachen zusammen. Ohne Tasche läuft nichts, denn sie stellt das Inventar dar, welches den unteren freien Bereich erklärt. Mit einem Medizinbuch weiß der junge Arzt, was er bei bestimmten Krankheiten zu tun hat. Und keine Rundreise ohne das praktische Taschenmesser.
Die Stadtwache von Wippra bekam die Anweisung, Haustüren zu verbarrikadieren, sofern im Haushalt die Pest festgestellt wurde. Die Quarantäne kann ohne Versorgung und gegebenenfalls ohne Luftzufuhr eine absolute Katastrophe für die Bewohner bedeuten. Oswald ist unterwegs zu einem Korbmacher, dessen Sohn Sven schwer erkrankt ist. Vor deren Haus schwirren Ratten herum, die für die Familie die absolute Hölle sind, da sie so nicht lüften können.
In klassischer Point-and-Click-Manier werden Personen angesprochen, Dialoge ausgetauscht und Gegenstände so kombiniert, dass es zu einem bestimmten Ergebnis führt. Mit einem Schälchen, Docht und einem gekürzten Strang wird eine Beleuchtung hergestellt, da die Fenster kein Licht durchlassen. So kann der Protagonist problemlos den kleinen Sven, aber auch noch seinen kleinen Bruder untersuchen. Dann muss er die schlechten Neuigkeiten für die kleine Korbmacher-Familie überbringen, denn es ist definitiv ein Fall von Pest, jedoch gibt es Hoffnung.
Die Qual der Wahl


Die Stadtwache will nach dem Besuch unbedingt wissen, was denn nun vorgefallen ist. Fälle von Pest sind meldepflichtig, aber danach wird die Bude verschlossen und es darf nichts rein und nichts raus. Der Arzt kann jetzt lügen oder mit der Wahrheit herausrücken. Das kann Konsequenzen für den künftigen Spielverlauf haben, insofern ist da Vorsicht geboten. Allgemein gibt es im Spielverlauf Taten, die entweder positive oder negative Folgen nach sich ziehen.
Das größte Aufgabenspektrum erwartet den Spieler im Spital. Nicht nur, dass eine hochrangige Gräfin auf ihren Aderlass wartet, den zuvor ihr Arzt vorgenommen hat, der leider Gottes an der Pest gestorben ist. Es warten in einem dazugehörigen Gebäude noch zwei weitere Patienten auf das heilende Talent des jungen Oswald Keller. Nur wo zur Hölle den Aderlass bei der Gräfin vornehmen? Ein Dokument vom vorherigen Arzt soll Klarheit verschaffen, welches sich allerdings als ein kniffliges Rätsel herausstellt. Mit den Details von der Gräfin kommt man der Lösung näher.
In einem Haus im Spital warten die Patienten Erna und Hans auf Hilfe. Hans klagt über stark schmerzende Pestbeulen, die sein Doktor normalerweise mit einer Salbe behandelt hat, doch dieser sah sich mit demselben Schicksal konfrontiert wie so ziemlich der Rest der Erkrankten. Erna ist vor Schmerzen gar nicht erst ansprechbar. Überall auf dem Spitalgelände sind Gegenstände zu finden, die zur Zusammenstellung der Medizin für die beiden notwendig sind.
Doch einige Sachen, wie die Essigflasche, werden erst herausgerückt, sobald es einen Grund dazu gibt. Die Schwestern sind äußerst streng bei der geringen Menge. Und Gott scheint es laut einem Pfaffen nicht zu mögen, den Weihwasserpinsel zu stehlen, aber selbst das wird zur essenziellen Aufgabe, um das Leben der an der Pest erkrankten Bürger zu retten. Doch die Placebos von Gottes Gebeten kommen bei einigen besser an als etablierte Kenntnisse der Wissenschaft. Man könnte meinen, es gäbe so was Ähnliches heutzutage…
Jagd auf die Wissenschaft


Wie schon zu Beginn erwähnt, ist das bisher Gespielte eine Rückblende. Denn der Protagonist wird wegen seiner Wohltaten gejagt und muss deshalb flüchten. Selbst wenn die Musik und das hektische Klopfen an der Tür den Spieler in Panik versetzt, muss dieser nicht unbedingt in Panikstimmung sein, denn der Zustand ändert sich so lange nicht, bis die Flucht ergriffen wurde. Allgemein gibt es keinen Zeitdruck in irgendeiner Phase des Spiels.
Doch leider muss der Held des Spiels trotz eigentlich sinnvoller Taten aus der Stadt flüchten und woanders einen Unterschlupf suchen. Nach ungefähr zwei bis drei Stunden Spielzeit gelangt man zu einem der möglichen Enden, mit denen man sich nicht unbedingt anfreunden kann, ist man ein Fan von Happy Ends. Wer allerdings die Kurzgeschichte, auf die das Spiel basiert, kennt, weiß, welches Schicksal den Oswald Keller erwartet.
Und keine Angst, ein knallhartes Spiel ist The Plague Doctor of Wippra in Sachen Schwierigkeitsgrad nicht, da sind eher die Schicksalsschläge der erkrankten Bürger schwer zu ertragen. Ein Lächeln ins Gesicht zaubern eher die Erfolge in den Versuchen, die Patienten gesundzupflegen. Zumal die Rätsel – seien es Gegenstandkombination oder die Zusammensetzung von Arzneien – logisch und nachvollziehbar sind.
Auf alt getrimmt, aber nicht alt


Grafisch orientiert sich das Spiel an sehr frühe Point-and-Click-Adventures der späten 1980er Jahre, dank illustrierten Inventarsystems siedelt es mehr in Richtung 1990er Jahre. Im Spiel können einige Gegenstände nicht sofort aufgenommen werden, der Spieler muss sich diese vorher anschauen, um zu wissen, was es überhaupt ist. Möchte man etwas über bestimmte Krankheiten oder Behandlungsmethoden erfahren, wird bei einer erkrankten Person das Medizinbuch angewandt. Wer allerdings auf die Nutzung dieses Buchs verzichtet, ergattert sogar eine Steam-Errungenschaft.
Die Dialoge sind nicht vertont, insofern muss die eigene Fantasie sich die Stimmen vorstellen. Bereits ausgewählte Dialogmöglichkeiten sind dunkelgrau hinterlegt und neue Dialoge ergeben sich manchmal beim Erblicken neuer Situationen. Beim Mittelalter-Setting würde man an sehr eigenartig formulierte Texte denken, hier sind sie erfreulicherweise für jedermann verständlich und lesen sich entsprechend gut. Die Emotionen in den Texten werden wunderbar übertragen.
Und möchte man die Dialoge überspringen, geht das mit einem Klick. Ein Doppelklick auf einen Durchgang (dargestellt durch einen Pfeil) spart wertvolle Zeit beim Erreichen von ebendiesem. Mögliche Kombinationsmöglichkeiten von Gegenständen werden durch gelbe Umrandungen dargestellt, sonst kann man in den Optionen eine Hotspot-Anzeige aktivieren, um zu sehen, mit welchen Gegenständen man interagieren kann.
Technisch ist The Plague Doctor of Wippra äußerst anspruchslos und könnte den Mindestanforderungen zufolge problemlos auf einem 15 Jahre alten PC mit Intel Core 2 Duo laufen. Da verwundert es nicht, dass das Spiel hervorragend und ohne Abstürze oder Bugs auf dem Testsystem, aber auch auf dem Steam Deck, läuft. Bei letzterem ist die Touchbedienung gut gelöst worden. Speicherslots wären ein Nice-to-have gewesen, doch das freie Speichern von überall ist in unseren Augen ein guter Kompromiss.
Pest und Cholera? Weder noch.

Die traurige und ernsthaft erzählte Geschichte vom Pest-Arzt von Wippra wird in diesem kurzen und knackigen Point-and-Click-Adventure in einer schicken Fassade mit toller Hintergrundbeschallung präsentiert. Die Rätsel sind für Profis keine Herausforderung, aber erfreulicherweise logisch und nachvollziehbar. Und es zaubert immerhin ein Lächeln ins Gesicht, wenn der Arzt seine Patienten mit erfolgten Arzneikombinationen heilen kann, selbst wenn es im gesamten Spielverlauf nichts zu lachen gibt. Fehlende Speicherslots und die recht kurze Spielzeit sind da nur kleine Beschwerden im Ablauf der medizinischen Karriere des Oswald Keller.
The Plague Doctor of Wippra ist seit dem 5. Oktober 2022 erhältlich und kann für 9,99€ bei Steam oder GOG heruntergeladen werden.
Testsystem
Betriebssystem: | Microsoft Windows 11 Version 21H2 |
Prozessor: | AMD Ryzen 7 3700X |
Grafikkarte: | NVIDIA GeForce RTX 3070 Founders Edition |
Sound: | Realtek ALC892 |
SSD: | Crucial MX500 1TB |
Arbeitsspeicher: | 32GB DDR4-3200 |
Daten zum Spiel
Titel: | The Plague Doctor of Wippra |
Erscheinungsdatum: | 5. Oktober 2022 |
Entwickler: | Electrocosmos |
Publisher: | Application Systems Heidelberg |
System: | Windows, macOS, Linux |