Transport Tycoon im 21. Jahrhundert – Transport Fever 2 zeigt die Transportsimulation der aktuellen Generation. Güter liefern in einer anderen Dimension – macht das Spaß?
Good Shepherd veröffentlichte im Dezember 2019 mit Transport Fever 2 einerseits einen Nachfolger des ersten Teils, andererseits aber auch ihr drittes Spiel, das sich mit dem Thema beschäftigt: Wie bringen wir die zahlreichen Güter von einem Punkt zum anderen? Eine Frage, die man sich bei Transportsimulationen schon immer gestellt hat und jedes Mal auf spannende Lösungen kommt. Das Spiel kommt mit über 200 Fahrzeugen für den Personen- und Gütertransport, einer Kampagne vom späten 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart, einem Endlosspiel, einem Karteneditor mit drei Landschaftstypen und einer Unterstützung für Modifikationen über den Steam Workshop.
Ach du meine Güte(r)!

In Transport Fever wird man, im Vergleich zum 25 Jähre älteren Transport Tycoon, in die heutigen Möglichkeiten einer Wirtschaftssimulation mit dem Genre Transport katapultiert: 3D-Grafik, viele Details und Terraforming. Die generierten Welten sind nicht mehr so eckig und kantig, sondern können dank Terraforming rundlicher und realitätsnaher gestaltet werden. Aber zuerst: was muss eigentlich gemacht werden?
Überall auf der Karte sind Industrien verteilt. Die eine Art stellt Rohwaren zur Verfügung, zum Beispiel ein Wald. Diese Rohwaren können wir zu einer Industrie transportieren, die diese verarbeiten, etwa ein Sägewerk, das aus den Bäumen Holzbretter macht. Unsere Aufgabe ist es, diese Transportmöglichkeiten zu erschaffen. Dafür stehen uns vier Fahrzeugtypen zur Verfügung: Straßenfahrzeuge, Züge, Schiffe oder Flugzeuge. Alle haben Vor- und Nachteile. Straßenfahrzeuge sind flexibler, Züge haben ein höheres Transportvolumen, Flugzeuge eignen sich gut für weite Distanzen und Schiffe… Schiffe können Waren gut im Wasser transportieren.
Wählt man ein Fahrzeug aus, muss man darauf achten, ob es die jeweiligen Güter aufnimmt. An den Industrien gibt es mit etwas Glück schon eine Straßenverbindung. Diese kann man dazu nutzen, eine Station anzulegen, damit die Fahrzeuge dort die Waren aufnehmen können. Durch Verbindungen und Markierungen lässt sich feststellen, ob das Industriegebäude mit der Station verbunden ist, um die Ware für den Transport anbieten zu können. Entscheidend ist allerdings die Endstation, die neben der Industrie gebaut werden muss. Ist das erst einmal geschafft, kann nichts schiefgehen.

Im 19. Jahrhundert werden die Waren noch von Kutschen und Pferden geritten, während es ab den 1920er Jahren schon dieselbetriebene Fahrzeuge gibt. Oder bei den Zügen zuerst klassisch mit der Dampflokomotive, später dann mit elektrisch betriebenen Hochgeschwindigkeitszügen. Die Fahrzeuge sind den real existierenden nachempfunden und tragen sogar die Bezeichnung. Diese findet man an den Fahrzeugen selbst allerdings nicht mehr vor.
Grundgütiger…
In der Kampagne von Transport Fever 2 darf der Spieler einige mehr oder weniger ausgedachte Meilensteine der Transportgeschichte erleben, aufgeteilt in drei Kapitel mit jeweils sechs Missionen, die überall auf der Welt verteilt sind. Da es keine klassische Einführung gibt, dient die Kampagne als Tutorial, um sich mit den Spielmechaniken vertraut zu machen. Es werden aber nicht alle von ihnen erklärt. In den meisten Fällen müssen klassische Transportaufgaben gelöst werden (etwa „Liefere 50 Eisen zur Fabrik.“ oder „Transportiere 10 Passagiere von Stadt A zu Stadt B.“). Im Laufe der Zeit werden diese aber ein wenig komplexer und erfordern vom Spieler, ein wenig um die Ecke zu denken. Manche dieser Aufgaben ziehen sich und brauchen schon ihre Zeit, bis diese erledigt sind. Manchmal gibt es aber auch etwas anderes zu tun, etwa eine Zugstrecke vervollständigen, weil dort einige Schienen fehlen.
Neben den Hauptaufgaben gibt es auch Bonusaufgaben, die aber kaum bis gar keinen Sinn ergeben und nur der Vollständigkeit halber vorhanden sind. Etwa muss die Landschaft manipuliert werden, um Schätze zu finden. Oder man erhöht die Emissionen einer Stadt, damit ein Regisseur sein Mikrofon kalibrieren kann.
Einstellbare Schwierigkeitsgrade gibt es bei den Missionen nicht, sie sollten allerdings auch für etwas ungeübte Spieler recht simpel lösbar sein. Gerade bei den ersten Missionen muss man nicht einmal auf die Finanzen achten. Da die Kosten mit der Zeit immer höher werden, sollte man schon einen Blick darauf werfen.
Güter brauchen Hüter

Um die Waren von A nach B bringen zu können, stehen in der übersichtlichen Spieloberfläche verschiedene Bauelemente zur Verfügung. Im Spielverlauf bekommt man immer mehr, später kann man etwa Autobahnen oder Schienen mit Oberleitungen bauen. Manchmal sind auch Umbauten von bestehenden Straßen in den Städten notwendig, um diese verkehrstechnisch zu entlasten. Man setzt den Bau entweder auf einem freien Feld oder an einem Ende der Straße oder Schiene an und zieht eine Linie. Den Bau muss man, sofern dieser möglich ist, bestätigen. Es ist auch möglich, zwischen zwei Enden eine Linie zu ziehen und das Spiel entscheidet, wie das auszusehen hat. So kann man elegant Strecken vervollständigen. Und baut man über hügelige oder hohe Felder, fragt das Spiel, ob dort automatisch einen Tunnel oder eine Brücke entstehen soll Will man allerdings selber so was Derartiges erstellen, ist die Bedienung fummelig gelöst. Da sich die Landschaft beim Bauen anpasst, wird dies rückgängig gemacht, sobald die Strecke abgebaut wird.
Interessant ist die Möglichkeit, die Stationen auszubauen. Die Modularität der Stationen ist nicht umsonst ein angepriesenes Feature. Man hat zwar schon vorab eine Möglichkeit anzugeben, wie viele Plattformen eine Station oder wie viele Gleise ein Bahnhof haben soll, doch diese kann man nachträglich ergänzen. Bei einem höheren Transportaufwand kann man so die Plattform vergrößern oder eine weitere daneben setzen. Es ist auch möglich, aus Güterstationen gemischte Stationen für Waren und Personen zu machen.
Wichtig bei den Stationen ist die Positionierung: möglichst nah an der Industrie oder der Stadt. Eine Straßenverbindung zwischen Industrie und Station ist zwingend erforderlich. Sollen Personen an einem Bahnhof oder Flughafen warten, erscheint es sinnvoll, diese mit einer Buslinie dorthin zu bringen.


Linienmanagement ist ein gutes Stichwort. Ohne eine Linie sind die Fahrzeuge so doof wie ein Computer ohne Prozessor. Die Stationen lassen sich zu einer Linie verbinden, die man dann einen oder mehrere Fahrzeuge zuteilen kann. Eine Änderung der Linie muss nicht bei jedem Fahrzeug einzeln geändert werden. Es sind aber dann Änderungen vonnöten, wenn beim Streckenbau eine zugängliche Route entfernt wurde. Dann kommt es zum Streik und ein Transport kann nicht getätigt werden.
Ist das Linienmanagement aktiv, sieht man auf der Karte alle festgelegten Linien und welche Route sie benutzen. Zur Verbesserung der Übersichtlichkeit wird die Karte in Graustufen angezeigt, nur die Linien haben ihre jeweiligen Farben. Fügt man nun Stationen hinzu, erkennt man diese, nicht aber die Industrien. So muss man sich zwischen der Kontrolle der Industrie, dessen Haltestelle man anpeilen will und der Festlegung der Linien entscheiden. Zudem lässt sich festlegen, ob das Fahrzeug bis zur Vollladung warten soll und welche Waren genau es laden oder entladen soll.
Der Weg ist das Ziel
In der Übersicht kann man erkennen, ob eine Fabrik ausreichend Rohmaterial hat, um das Endprodukt zu produzieren, welches wiederum weitertransportiert werden kann. Manchmal benötigen sie davon eine Mindestmenge, deren Produktion Zeit in Anspruch nehmen kann.
Etwas eigenartig gestaltet sich die Darstellung der Einnahmen. Das hängt allerdings damit zusammen, dass in der Finanzübersicht die Investitionen dazugezählt werden. Gibt man Geld für neue Fahrzeuge oder neue Stationen aus, macht man logischerweise Verlust, jedoch schreckt der Blick auf die Einnahmen danach etwas ab.

Lobenswert die aktive Spielwelt. In den Industrien sind Fahrzeuge am Werk, in der Stadt laufen Personen rum, Privatfahrzeuge fahren zur Arbeit. Es macht viel Spaß, minutenlang nichts zu tun und einfach dem Gewusel zuzuschauen. Die Details sind dabei nicht zu verachten. Am Cockpit der Fahrzeuge sieht man den Fahrzeugführer, in den Bussen und Zügen sieht man die Passagiere. An Kreuzungen sieht man anhand der Blinker, wohin die Leute wollen. Die Bremsen der Züge quietschen bei der Einfahrt in den Bahnhof. All diese Kleinigkeiten machen das Spiel geradezu lebendig. Selbst, wenn die Autos viel zu früh an einem Bahnübergang losfahren und durch die Schranke fahren. Oder die Spur viel zu ruckartig wechseln.
Man muss dem Geschehen allerdings nicht unbedingt mit der normalen Kamera zusehen. Die Fahrzeuge bieten allesamt eine Cockpit-Ansicht, die eine bessere Perspektive bietet. Zwar ist die Steuerung dieser Kamera etwas eigenartig, doch der Ausblick lässt diese Macke schnell vergessen. Auch Personen bieten eine Art Cockpit-Perspektive. Diese sollte man sich aber wegen der Bewegungen nicht auf Dauer antun.
Die Welt kann man mit Geländetools manipulieren. So lassen sich Hügel oder Schluchten erstellen, der Bodenbelag, wie Gras oder Asphalt, anpassen oder Assets setzen. Hier ein Baum, da ein großer Steinbrocken. Dabei lassen sich verschiedene Parameter, etwa die Werkzeuggröße, einstellen. Praktisch, wenn man auf einen Schlag ein großes Areal gestalten möchte.
Über Datenlayer bekommt man praktische und übersichtlich gestaltete Infos, etwa welche Stationen überlastet sind, welche Straßen vollgestopft sind, wie die Gegend genutzt wird und so weiter. Zudem gibt es Statistiken über die in der aktuellen Welt verfügbaren Industrien, Städte, Stationen, Fahrzeuge und Linien. Hier lässt sich überprüfen, welche Fahrzeuge Verluste machen oder welche Stadt am kräftigsten gewachsen ist.
Hinfort mit dem Transport

Neben der Kampagne gibt es das freie Spiel. Hier kann man sich eine Karte mit verschiedenen Eigenschaften generieren lassen, etwa viele Hügel oder wenig Wasser und wie groß die Städte- bzw. Industriedichte sein soll. Die Generation der Karte ist abhängig von einem Seed. Ändert man diesen, ändert sich auch die Karte. Man kann aber auch eine im Karteneditor erstellte Karte spielen. Dieser erlaubt ebenfalls das Generieren von Landschaften. Es ist interessant anzusehen, dass man auch im Karteneditor ein wenig Leben einhauchen kann, um schon vorab erahnen zu können, wie der Verkehr auf der Karte laufen könnte. Hier können allerdings nur Straßen platziert werden, keine Schienen oder (Flug)häfen.
Wer von den vorgegeben Sachen im Spiel nicht genug bekommen kann: Das Spiel hat eine Anbindung zum Steam Workshop. Damit sind den Erweiterungsmöglichkeiten keine Grenzen gesetzt. Zum Zeitpunkt des Tests gab es schon allerhand Erweiterungen zum Download. Von den Machern selbst gibt es mit Fahrzeuge: kein Endjahr, No costs und Sandkastenmodus bereits vorinstallierte Mods. Wie üblich wird durch die Verwendung von Mods das Erreichen von Achievements blockiert. Die meisten dieser Achievements bekommt man im freien Spiel, was in der Form eher unüblich ist.
Technisch lief das Spiel einwandfrei und stürzte nicht einmal ab. Mangels potenter Hardware musste ich die Grafikeinstellungen herunterschrauben, insbesondere auf das gefräßige Anti-Aliasing musste ich verzichten. Aber auch bei niedriger Einstellung kann sich das Spiel sehen lassen. Die Framerate ging erst in dem Moment richtig nach unten, als es an den Streckenbau ging. Hat man das Spiel auf einer klassischen Festplatte installiert, bemerkt man zudem minutenlange Ladezeiten. Eine neue Mission starten, einen neuen Spielstand laden oder im Karteneditor eine Stadt generieren lassen, für all das braucht das Spiel viel Bedenkzeit. Dieser Eindruck kann jedoch von System zu System abweichen.

Man sollte außerdem seine Ohren zuhalten oder sein Headset absetzen, wenn es darum geht, mehrere Fahrzeuge auf einmal auszuwählen. Ein Beispiel: im Spiel gibt es derzeit insgesamt 80 Fahrzeuge. Man geht in die Übersicht mit allen Fahrzeugen und wählt diese aus. Nicht nur das Geräusch wird dabei übermäßig laut, alles andere wird gleichzeitig etwas leiser. Als bekäme das Spiel gerade einen Tinnitus ohne hochfrequenten Pieps.
Aber genug von unangenehmen Tönen, die Soundkulisse ist ansonsten angenehm und sehr realistisch gehalten. Die Musikbegleitung hat mehr Fahrstuhl-Charakter: langweilig, aber ganz nett für nebenbei. Und falls man gerade die aktuelle Uhrzeit haben möchte: fast alle Uhren im Spiel zeigen die aktuelle Systemzeit.
Fazit

Egal wie gut du transportierst, in Transport Fever 2 transportiert man Güter. Das Spiel ist eine rundum gelungene Transportsimulation mit leichtem Einstieg, logischen Transportmöglichkeiten, toller Grafik und großer Auswahl an Fahrzeugen und Bautools. Selbst wenn man nicht mal weiterbauen möchte, macht es Spaß, dem Geschehen zuzuschauen, sei es von oben oder vom Cockpit eines Fahrzeugs. Die Kampagne zieht sich gerne ein wenig, die Bonusaufgaben sind mehr oder weniger Unsinn, der Streckenbau kann zur Zerreißprobe werden und bei schwachbrüstigen Rechnern wird das Bauen zur Tortur. Trotzdem hat es sich sein Güte(r)siegel redlich verdient.
Testsystem
Betriebssystem: | Microsoft Windows 10 Home 64-Bit (Version 1809) |
Prozessor: | Intel Xeon E3-1230v3 |
Grafikkarte: | GIGABYTE GeForce GTX 1050 Ti |
Soundkarte: | ASUS Xonar DG |
Festplatte: | Western Digital WDC WD10EAVS 1TB |
Arbeitsspeicher: | 16GB DDR3-1600 |
Daten zum Spiel
Titel: | Transport Fever 2 |
Erscheinungsdatum: | 10. Dezember 2019 |
Entwickler: | Urban Games |
Publisher: | Good Shepherd/Astragon Entertainment |
System: | Linux, macOS, Windows |
Hinweis: Zum Testzeitpunkt war das Spiel noch nicht für macOS verfügbar.