Ist das schon kalter Kaffee? Tchibo bietet einen Mini-Handheld mit vielen Retro-Spielen. Der niedrige Preis klingt nach vielen Schwächen auf kleinem Grund. Zurecht? Wir finden es heraus.
Der aktuelle Retro-Hype kennt keine Bremsen. Remaster, Classic, Remake, überall wird man damit konfrontiert. Selbst die Konsolenhersteller Nintendo und Sony haben bereits Classic-Varianten ihrer damaligen populären Konsolen veröffentlicht. Nur neu aufgelegte Handhelds gibt es bisher kaum. Das Einzelhandelsunternehmen Tchibo bietet unter der Marke Tchibo Certified Merchandise (TCM) eine sogenannte „Retro-Mini-Spielekonsole“ für gerade einmal 14,99 Euro an.

Der Inhalt der kleinen Verpackung kann sich sehen lassen: neben der Gerätschaft mit Displayschutzfolie gibt es eine Bedienungsanleitung in Deutsch und Englisch. Ein seltenes Bild sind dabei die drei mitgelieferten AAA-Batterien. Doch das Einlegen dieser erfordert Werkzeug, da das Batteriefach durch eine Schraube gesichert wird.
Für diesen niedrigen Preis kann man natürlich keine Höhenflüge in Sachen Verarbeitungsqualität erwarten, die Spaltmaße sind nicht die besten, aber das Plastik hat über den ganzen Test gehalten. Was auf der Vorderseite wie Aluminium wirken soll, ist lediglich Fassade. Mit Abmessungen von 9 x 2 x 5 Zentimetern hat diese Retro-Spielekonsole den Zusatz „Mini“ definitiv verdient. Mittelgroße Finger dürften noch Freude daran haben, die Knöpfe zu betätigen, bei größeren Fingern könnte es kritisch werden. Sie ist nicht sehr handlich, aber man will sie auch nicht direkt nach wenigen Minuten Spielzeit zur Seite legen, um seine Hände zu schonen.
Durch einen Schiebeschalter an der rechten Seite wird die Konsole eingeschaltet und ein Menü erstrahlt über das 1,8 Zoll große LC-Farbdisplay, dessen Pixel zwar deutlich sichtbar sind, Helligkeit und Schärfe aber in Ordnung gehen. Selbst die Blickwinkel sind okay, neigt man es seitlich, wird das Bild etwas heller. Der recht dünne Ton kommt durch die zwei Lautsprecherlücken über den Richtungstasten.
Über das Menü erreicht man die 153 vorinstallierten Spiele. Immerhin bietet die Konsole die Möglichkeit, entweder einen oder fünf Einträge vor- oder zurückzuspringen. Ehemalige GameBoy-Nutzer werden sicherlich durch die Tatsache leicht verwirrt sein, dass man zur Auswahl die „Play/Pause“-Taste statt die A-Taste betätigen muss. Vom Titelbildschirm des gestarteten Spiels kommt man dann über die B-Taste wieder zurück ins Menü. Einen kompletten Reset erreicht man durch die Reset-Taste oben rechts und fängt so wieder von oben an. Möchte man die Lautstärke einstellen, hat man insgesamt vier Stufen zur Auswahl, wobei die höchste voreingestellt ist. Es ist nicht quälend laut, aber warum muss ausgerechnet das der Standard sein?

Mit ganzen 153 Spielen sollte man meinen, richtig viel Abwechslung und eine lange Spielzeit zu bekommen. Man darf seiner Entdeckerfreude freien Lauf lassen, denn die kurze Bedienungsanleitung verschweigt, welche Spiele sich genau auf dem Gerät befinden und auch wie man sie überhaupt spielt. Man soll dies laut Anleitung „dank der wenigen Steuerelemente intuitiv schnell herausfinden [können]“. Nach dem Motto „Learning by Doing“ lernt man zumindest bei dem Großteil der Spiele, die die Genres Sport, Logik, Action, Arcade, Jump-and-Run sowie Rennen abdecken, die Steuerung recht schnell kennen. Meistens werden dafür die Richtungstasten und die A-Taste benötigt. Selten kommt die B-Taste zum Einsatz.
Natürlich beschränkt sich die Auswahl nur auf Spiele, an denen man nicht ewig hängenbleiben wird. Bei Spielen wie Tic Tac Toe oder Connect Four istdas auch schwer vorstellbar. Doch man findet durchaus sehenswerte Titel auf dem Gerät. Unter dem Namen Apache Overkill etwa findet man einen netten Sidescroller vor, in dem man mit einem Helikopter Gegner abschießen muss. Beware Cross ist eine kurzweilige Variante des Arcade-Klassikers Frogger, in der man einen Frosch über eine stark befahrene Straße und einen Fluss zu seinem Ziel manövrieren muss. Neben nachgeahmten Klassiker-Spielen gibt es etwa mit 2048 ein recht junges Logikspiel.
Spielt man sich durch die Liste, wird man bei dem ein oder anderen Spiel merken, dass es da doch gewisse Ähnlichkeiten mit Titeln gibt, die man schon vorher in der Liste hatte. Beispiele dafür sind Racing Car und Racing Motor. Bei beiden steuert man sein Fahrzeug auf einer geraden Strecke und muss dabei der KI ausweichen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass man bei Racing Car ein Auto und bei Racing Motor ein Motorrad steuert. Ansonsten sind beide völlig identisch. Kart Rider spielt in der gleichen Umgebung, allerdings fährt man hier ein Kart und hat die Möglichkeit, mit der B-Taste Absperrungen auf der Strecke abzuschießen, während auf der Strecke auch ein paar Beschleunigungsstreifen auf einen warten.

Anders ist es etwa bei Color Impress und Quick Master, die beide vom Aufbau völlig identisch sind, sich aber spielerisch unterscheiden. Während man beim ersten entscheidet, welche Farbe am häufigsten oder am seltensten vorkommt, löst man bei letzterem Rechenaufgaben. Davon abgesehen liefern manche Spiele etwas anderes als der Name erwarten lassen würde. Oder würde man hinter Poker Game ein Memoryspiel mit Kartendecks vermuten? Und bei Same Animals hat man ein Memoryspiel mit Symbolen von Slot-Machines, von Tieren absolut keine Spur. Apropos Slot-Machine, die gibt es auch, nennt sich bloß Fruit Machine. Hier ähnelt die Musik sogar der des SEGA-Klassikers Sonic The Hedgehog.
Die Musik und die Soundeffekte reißen niemanden vom Hocker und sind nicht wirklich einprägsam. Zwar kann man sich den Großteil der Musik durchaus anhören, aber man wird nicht einmal in Jahren ein Wort darüber verlieren. Die Soundeffekte beschränken sich auf eine bestimmte Anzahl, was teilweise zu entnervten Stummschaltungen wegen Wiederholungen führt. Wie auch bei damaligen Konsolen üblich, gibt es Einschränkungen beim Abspielen der Instrumente, wenn zu viele Soundeffekte über die Lautsprecher kommen. Das merkt man schon beim Scrollen durch das Menü, wenn die Musik etwas anders klingt.
Beim Spielen wird man auch merken, dass sich die gummierten Tasten nicht optimal drücken lassen. Zwar klemmen sie nicht, aber haben jetzt nicht unbedingt den besten Druckpunkt. Fummelig wird es bei den kleineren Tasten, die sich aber auf Einstellungen beschränken. Nach etwa einer Minute ohne Benutzung schaltet sich die Konsole automatisch aus, durch die Reset-Taste lässt sich diese allerdings wieder wecken. Im Testzeitraum hatten die Batterien auch noch genug Kapazität, sodass sich ein dunkler Bildschirm, ein leiser Ton oder eine träge Reaktion der Tasten nicht gezeigt haben. Interessant ist noch der Hinweis, dass der Hersteller von der Verwendung von Akkus abrät.
Die Konsole gibt es in ähnlichen Formen auch bei diversen anderen Online-Händlern, deren Varianten nicht immer zuverlässig funktionieren und ihren Dienst nach nur wenigen Minuten im Betrieb einstellen. Das ist bei dem Exemplar von TCM über den gesamten Testzeitraum glücklicherweise nicht der Fall gewesen, die Konsole sprang jedes Mal problemlos an. Bei dem Preis darf man auch nicht mit ruckelfrei laufenden Spielen rechnen, selten liefen aber welche sehr langsam.

Die Retro-Mini-Spielekonsole ist weder besonders toll noch besonders miserabel, man vermisst dennoch bei all den Punkten eine gewisse Existenzberechtigung. Das Retro-Feeling ist dank Aufbau, dem Sound und den Spielen im Pixel-Look durchaus gegeben, doch das Gesamtkonzept lädt nicht zum permanenten Spielen ein. Man kriegt für sein Geld, was man erwartet: ein grundsolides Stück Handheld mit einer ordentlichen Menge an Gelegenheitsspielchen.
Hinweis: Die Spielekonsole war bis Redaktionsschluss im Online-Shop nicht erhältlich. Bei dem Testexemplar handelt es sich um eine Leihgabe.