Die kleine Stadt Yelltown hat schon viele Katastrophen miterlebt: das Yelltown-Feuer, die Yelltown-Flut und den Yelltown-Hurrikan. Aktuell wird die Bevölkerung vom Yelltown-Fieber heimgesucht.
Das klassische Point-and-Click-Adventure Unforeseen Incidents ist vom Bochumer Studio Backwoods Entertainment entwickelt worden. Es handelt sich dabei um das erste Spiel des 2015 gegründeten Unternehmens. Neben Unterstützung für die Entwicklung ist Application Systems Heidelberg auch für die Vermarktung und den Vertrieb des Adventures verantwortlich. Es kann seit dem 24. Mai 2018 über Steam oder direkt auf der Webseite der Entwickler für Linux, macOS und Windows erworben werden.
Trotz all seiner Begeisterung für Technik ist Heimwerker Harper Pendrell ist inzwischen genervt. Ständig muss er Professor MacBride bei seinen Computerproblemen helfen. Aber eigentlich kümmert er sich gern darum. Schließlich kennt er den Professor schon aus seinen Kindertagen. Schnell ist der Fehler behoben und er kann sich wieder auf den Weg nach Hause machen. Plötzlich trifft er auf eine Frau, die sich augenscheinlich mit dem Yelltown-Fieber angesteckt hat. Normalerweise ist das ein Fall für die Hotline der Rancho Health Corporation, dem privaten Gesundheitsdienstleister der Stadt. Die Infizierte bittet Harper jedoch, die Nummer nicht zu wählen, da sie dem Unternehmen misstraut. Eine Anwohnerin bemerkt den Vorfall und entscheidet sich dennoch die RHC über die erkrankte Frau in Kenntnis zu setzen. Bevor von den Rettungskräften mitgenommen wird, gibt sie Harper einen Umschlag mit geheimen Informationen für eine Journalistin, die sich aktuell im Hotel aufhalten soll.
Zunächst vertraut sich Harper dem Professor an. Dieser testet ihn negativ auf eine Infektion, kann aber nicht so recht glauben, dass der RHC wirklich zu misstrauen ist. Gleichwohl findet er es bedenklich, dass die Regierung das Gesundheitswesen an ein Unternehmen ausgelagert hat und gibt an, dass mithilfe einer Probe des Krankheitserregers ein wirksames Medikament entwickeln kann. Dazu soll sich Harper mit einem Schutzanzug in das RHC-Notfallcamp schleichen und eine Blutprobe der Infizierten entnehmen.
Danach beginnt der junge Handwerker, die Journalistin Jane Helliwell ausfindig zu machen. Zwar gibt es nur ein Hotel in Yelltown, doch die Frau von der Presse scheint unter falschem Namen eingecheckt zu haben. Nur mit einer List kann er sie ausfindig machen. Des Weiteren hilft er ihr, die Informationen zu entschlüsseln und gewinnt so ihr Vertrauen. Gemeinsam mit Jane und Professor MacBride begibt sich Harper zum Camp, um die Probe zu nehmen und Fotos zu schießen, doch die Infizierte ist nicht dort. In den Zelten befinden sich keine Patienten, sondern verdächtige Kanister. Die RHC wird doch wohl nicht selbst für das Virus verantwortlich sein? Sind neben Yelltown noch andere Städte betroffen? Noch bevor sich Harper diese Frage stellen kann, findet er sich gefangen in einem Keller wieder. Er muss zurück zu seinen Gefährten und verhindern, was auch immer vor sich geht.
Zu Beginn wird die Handlung langsam ausgerollt, Harper Pendrell als Hauptfigur und Professor Rupert MacBride vorgestellt. Mit dem Auftauchen der infizierten Frau, den geheimen Dokumenten und dem Finden von Journalistin Jane Halliwell nimmt die Geschichte an Fahrt auf, ohne jedoch Eile zu suggerieren. Viele humorvolle, manchmal auch leicht zynische Dialoge, insbesondere mit Helliwell, und detaillierte, tiefe Charaktere sorgen dabei für den notwendigen Fluss. Wenn Harper doch einmal dazu neigt, überhastet zu agieren, können ihn Jane und den Professor wieder beruhigen.
Obwohl der Plot spannend ausgestaltet ist und kontinuierlich neue Informationen und Wendungen liefern kann, fällt der Höhepunkt im dritten Kapitel vergleichsweise einfach aus und wird fast als Nebensächlichkeit abgetan. Daraus folgend wirkt die Handlung dann am Ende hektisch, da erst dann einige Details zum Vorschein kommen, die dem Ablauf in besser dosierter Form gutgetan hätten.
Die Rätsel sind breit gefächert und von unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad. Einige lassen sich einfach durch aufmerksames Zuhören und Nachdenken lösen, andere erfordern Timing oder den Mut, etwas Ungewöhnliches auszuprobieren. Sie sind aber logisch und die Lösungen sind nachvollziehbar. Abseits davon sind die einzelnen Kapitel von Minispielen getrennt, bei denen ein Datenfluss gesteuert werden soll. Diese werden zum Ende hin schwieriger und kosten auch schon einmal einige Minuten. Sie sind für die Handlung nicht relevant und stören daher den Spielfluss.
Grafisch kann das Adventure mit der detailliert gezeichneten Grafik punkten, die zum Verweilen einlädt und die Atmosphäre des Spiels unterstreicht. Sowohl die Figuren als auch die Umgebung weisen charakteristische Merkmale auf. Die verschiedenen Standorte unterliegen beispielsweise einem passenden Farbschema. Die dunklen Wälder von Yelltown und Graystone Woods sind in ein dunkles Violett getaucht, während Port Nicola vor allem durch Weiß geprägt ist.
Etwas unschön ist die Unschärfe während der Zooms in den Zwischensequenzen, die die Outlines der einzelnen Objekte verschwommen aussehen lässt. Die Laufanimationen, aber auch Bildwechsel sind an manchen Stellen etwas zäh, überwiegend aber flüssig.
Die ruhige, etwas mystisch angehauchte Atmosphäre findet sich auch in der musikalischen Untermalung wieder. Der Soundtrack spielt dezent im Hintergrund und wird auch bei längerem Aufenthalt in einer Szene nicht nervig. Die englische Synchronisation klingt durchweg gut und passt zu den Charakterzügen der einzelnen Figuren. Im Gegensatz dazu wirkt die deutsche Fassung eher etwas zwanghaft und weniger authentisch. Professor MacBride hat in der deutschen Version zum Beispiel eine erheblich jüngere Stimme als sein englisches Pendant und der Schrottplatzinhaber Leroy wird im Englischen von einer markanten Stimme vertont, im Deutschen mutet sie fast generisch an.
Wie in Point-and-Click-Adventures üblich, werden Charaktere und Objekte mit der Maus gesteuert. An wenigen Stellen ist auch eine Eingabe über die Tastatur erforderlich. Konträr zu anderen Vertretern des Genres wird nicht zwischen Links- und Rechtsklick unterschieden. Lässt sich ein Objekt also aufnehmen, passiert das unabhängig der gewählten Taste. Harper kommentiert es dann automatisch. Dieses Verhalten ist nicht weiter störend, aber die Kommentare, die beim Einsammeln zu hören sind, lassen sich so nicht noch einmal anhören.
Die aufgesammelten Gegenstände befinden sich, wie auch Harpers Taschenmesser, im Inventar, da am oberen Bildrand ausklappt. Mehrere Funktionen und Gruppen von Objekten werden ineinander verschachtelt und klappen dann erneut aus um das Inventar übersichtlich zu halten. Gewählte Elemente heften beim Klick nicht automatisch am Cursor, sondern werden mittels Drag-and-Drop kombiniert. Die verschiedenen Hotspots können aber, wie inzwischen üblich, per Druck auf die Leertaste angezeigt werden.
Unforeseen Incidents weiß mit einem detailliert gezeichneten Setting, stimmungsvoller Musik, sowie starken Charakteren und Dialogen zu überzeugen. Schwächen finden sich im Storytelling, das zum Ende hin zu hektisch wird und in der deutschen Synchronisation, die qualitativ nicht mit der englischen Variante mithalten kann. Die vielfältigen und anspruchsvollen Rätsel sind reizvoll, die Minispiele hingegen unsinnig und der Handlung nicht zuträglich.
Backwoods Entertainment und Application Systems Heidelberg haben ein gutes Point-and-Click-Adventure auf die Beine gestellt, das zwar noch nicht an die Werke von Daedalic heranreicht, aber dennoch vieles richtig macht und insgesamt ein spielenswerter Titel ist.
Titel: | Unforeseen Incidents |
Erscheinungsdatum: | 24.05.2018 |
Entwickler: | Backwoods Entertainment, Application Systems Heidelberg |
Publisher: | Application Systems Heidelberg |
System: | Linux, macOS, Win |
Kaufen: | GOG, HumbleStore¹, Steam |
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Marina
Das Spiel sieht auf den Screenshots absolut schön und sehr atmosphärisch aus. Auch die Story klingt sehr interessant. Sollte ich mir auch überlegen, da mal reinzugucken, auch wenn ich leider meistens zu doof bin für Point-and-Click 😀
Sehr schönes Review, wie immer eben.
Sven
Dem kann ich absolut zustimmen. Die Atmosphäre des Spiels ist großartig. Die Rätsel sind aber definitiv machbar.
Vielen Dank. 🙂