Wie man hier gemerkt haben könnte, nutze ich für vergangene Spieletitel immer einen Computer, der zeitlich zum jeweiligen Machwerk passt. Das ist sicher authentisch, aber auch sinnvoll?
Jedes Jahr stelle ich eine Liste von potenziellen Spielen zusammen, die ein bestimmtes Jubiläum zelebrieren. Besser gesagt: das Erreichen eines Alters, der durch die Zahl 5 teilbar ist. Spiele mit Jubiläum – da denkt man eher an absolute Klassiker. Im Jahr 2023 lohnt es sich, etwa Sim City 2000 noch einmal aus der Bibliothek zu holen, da es seinen 30-jährigen Geburtstag feiert. Heutzutage würde sich jeder Spielejournalist das Spiel günstig bei gängigen Plattformen wie GOG, EA App oder Steam herunterladen und auf dem (halbwegs) aktuellen Rechenknecht ausführen.
Jeder? Nein. Mit einer stattlichen und platzfressenden Sammlung von bunten Packungen mit Datenträgern im Inneren könnte ich das pure Original spielen. Ohne Erweiterungen, ohne Patches, ohne weitere Komfortfunktionen. Schließlich hat das Original Geburtstag und nicht etwa die digital erhältliche Special Edition. Einige Abandonware-Seiten schaffen Abhilfe und bieten die Urversion aus dem Jahr 1993 an. Die dann aber wiederum in einem Emulator wie DOSbox ausgeführt werden muss. Auch nicht unbedingt meins.
Fett, beige, laut, aber authentisch
Ich hatte noch das große Glück, die in Deutschland erhältliche Erstauflage von Sim City 2000 mit zwei 3,5“-Disketten in einer Zeit ergattert zu haben, als der Kauf solcher Sammlerstücke noch kein riesiges Loch ins Budget gerissen hat. Ich könnte die Disketten in ein USB-Laufwerk stecken und in DOSbox einbinden. Könnte ich.
Ich hatte aber auch noch das große Glück gehabt, eine Reihe älterer PC-Systeme in einer Zeit geholt zu haben, in der man noch keine dreistelligen Summen für so etwas ausgeben musste. Und worauf hat man Spiele wie den Städtebau-Klassiker damals gespielt? Nein, nicht auf einem heutigen Hochleistungs-PC, nicht auf einem Steam Deck, man hat diese Titel auf einem 386er gespielt. Wer richtig viel Geld hatte, spielte solche Titel sogar auf einem 486er oder eines der frühen Intel-Pentium-Systeme.
Und wie alt war der Verfasser dieser Zeilen am Veröffentlichungsdatum von Sim City 2000, der genauer gesagt der 1. Dezember 1993 ist? Minus einen Monat alt. Ein „wenig“ zu jung, um dieses Spiel in der Zeit aktiv miterlebt zu haben. Da ist schon ein gewisses Bedürfnis da, diese Zeit Revue passieren zu lassen. Denn Geduld war damals eine Tugend, die zudem begleitet wird von Geräuschen lauter Lüfter und mechanischen Festplatten. Eben authentisch.
Also: alte Kiste rausgekramt, angeschlossen und hochgefahren. Nach dem erfolgreichen Bootvorgang von MS-DOS die erste Diskette des Spiels eingeschoben und das Spiel mithilfe von Befehlen installiert. Später wird die zweite Diskette verlangt und bald befindet sich ein Sim City 2000 auf der Festplatte. Ein normales Vorgehen vor fast 30 Jahren, heutzutage eine viel zu süße Anekdote an Zeiten ohne Internetverbindung.
Lieber altmodisch als aktuell
All die älteren Spieltitel, die ich bisher getestet habe, wurden allesamt in den mir vorliegenden Versionen – in den allermeisten Fällen der deutschen Erstauflage – getestet. In der Regel werden nicht einmal Patches oder irgendeine Art von Verbesserung installiert, es wird das pure Spiel, so wie man es damals im Laden kaufen konnte, gespielt. Diese Erfahrung ist in meinen Augen besonders: Man fühlt sich direkt in die Zeit zurückversetzt, als man sich mit eventuell auftauchenden Fehlern herumplagen musste oder selbstständig Lösungswege finden musste, bis es in gedruckter Form eine Komplettlösung im Handel gab.
Nicht nur eine solche Erfahrung gibt es zu erleben. Das Spiel wird obendrein auch noch auf einem zeitgemäßen System gespielt. Heißt: Die allerhöchsten Einstellungen werden nicht einmal den flüssigen Spielablauf bringen, die man sonst mit ein paar Emulatorkonfigurationen hinkriegen könnte. Oder mit einer an aktuelle Systeme angepassten Variante des Werkes.


Mit der Vorgehensweise wird man gerne belächelt und für komisch befunden. Klar, mit einem Emulator oder einer Laufzeitumgebung wie Wine kann man diese Titel auf bequeme Art und Weise auf dem eigenen Rechenknecht ausführen. In den meisten Fällen laufen sie genauso gut wie damals oder sogar noch besser. Wenn es aber um Authentizität geht, können diese das Gefühl nicht emulieren, an einem PC aus den 90er-Jahren mit Röhrenbildschirm, fetter mechanischer Tastatur, PS/2-Maus mit Kugel und Desktop-Lautsprechern zu spielen.
Vor allen Dingen ist das für mich eine Art Nachholprozess. Für die älteren unter den Computernutzern war es völlig normal, mit einem sündhaft teuren PC-System die Plagen der Software- und Hardwareinstallation seinerzeit zu ertragen. In dieser Zeit habe ich nicht einmal ein zweistelliges Alter erreicht, weshalb die Erinnerungen an die Nutzungszeiten des heimischen Rechners eher wenig bis gar nicht vorhanden sind.
Selbst, wenn das ein wenig Strom kostet – mein Pentium-II-System etwa hat einen ungefähren Verbrauch von durchgehend 70 Watt – ist es vor allen Dingen eine idiotensichere Methode, denn ein für Windows 95 konzipiertes Spiel funktioniert mit allergrößter Sicherheit wunderbar unter Windows 98 und einem in der Zeit erschienenem System. Heutzutage sind allerdings einige Kombinationen teuer geworden. Ein System mit einer 3dfx-Voodoo-Karte für einen zweistelligen Betrag ist zur Seltenheit verdammt worden.
Sinn und Unsinn des Ganzen
Hardware kostet. Egal wie man es dreht und wendet. Es nimmt Platz weg, der Versand ist teuer, die Effizienz der alten Computer ist offen gesprochen eine Katastrophe und man wird früh oder später mit mehr oder weniger kritischen Problemen konfrontiert. Seien es simple Probleme wie leere CR2032-Batterie oder hartnäckigere Probleme wie ausgelaufene Kondensatoren, die einen Teil des Logic Boards beschädigen können.


Da ist der Problembereich im Emulatorenbereich wesentlich geringer. Da kann es lediglich an mangelhaften Konfigurationen des emulierten Systems scheitern, die in der Theorie nie an mechanischen Problemen leiden wird. Außerdem muss dafür keine weitere Hardware angeschafft werden, was den Geldbeutel deutlich schont und mehr für die Spiele übrigbleibt, die im Laufe der Zeit ebenfalls nicht günstiger geworden sind, möchte man sie sich in ihrer ursprünglichen Distributionsvariante anschaffen. Was in der Regel die Big Box sein wird.
Die Vorstellung, sich einen entsprechend alten PC hinzustellen, den Einschaltknopf zu drücken, das System hochfahren und piepen zu hören, nur um dann nach einer gefühlten Ewigkeit das vollständig geladene, schlanke Betriebssystem mit den vielen Symbolen auf dem Desktop zu sehen, weckt dennoch die wesentlich nostalgischeren Gefühle, als wenn man dasselbe alte System in Windeseile in einer simulierten Umgebung booten sieht.
Es ist also schwer abzuschätzen, was von beiden sinnvoller ist. Hängt man an Erinnerungen oder liebt es, mit geschichtsträchtigen Utensilien zu arbeiten, ist das Zocken auf einer zeitgemäßen Kiste klar der Sieger. Für die problemlose und kostengünstige Einrichtung wäre die Emulator-Lösung die richtige. Zu diesem Thema habe ich im Jahr 2018 einen Artikel für das kostenlose PDF-Magazin Lotek64 in der Ausgabe 58 verfasst, den man auf Seite 16 finden kann.
Warum die „Quälerei“?
Erst vor gar nicht allzu langer Zeit, als ich diesen Artikel angefangen habe zu schreiben, habe ich den Testbericht zu Unreal fertiggestellt. Dieser First-Person-Shooter aus dem Jahr 1998 schockte mit hohen Systemanforderungen und verlangte für vernünftige Frameraten einen teuren PC. Praktisch jeder existierende Computer in der heutigen Zeit könnte dieses Videospiel problemlos mit hohen Auflösungen ausführen. Dieses Wagnis, mit meinem Pentium-II-System einfach mal die Auflösung 800×600 Pixel auszuwählen und damit die Abenteuer des Prisoner 849 zu erleben, war mir ein Vergnügen. Denn es zeigte: Der Rechner konnte das Spiel überwiegend problemlos händeln und schwächelte nur stellenweise.
So eine Abwechslung gibt es bei heute erhältlichen Varianten des Spiels nicht. Unreal würde problemlos in Gebiete furchterregender Framezahlen vordringen, egal was passiert. Selbst auf Systemen, die auf dem Preisniveau der zeitgemäßen Computer bei eBay sind. Einfach erleben, wie sehr die Hardware damals mit dem Werk von Epic MegaGames zu kämpfen hatte; ich durfte es seinerzeit nicht erleben, weil ich lange Zeit keine Shooter spielen durfte, also sind wir hier auch wieder bei einer Entdeckung, die spät gekommen ist.


Man könnte das Ganze aber auch auf die Spitze treiben. Beispiel Hi-Octane: ein Rennspiel von Bullfrog Productions aus dem Jahr 1995. Das Spiel lief nicht mal auf High-End-Kisten aus der Zeit vernünftig. In dem Jahr hatten jedoch noch viele einen 486er. Ich könnte dieses Spiel auch auf einem 486DX2/66-System ausführen, um zu sehen, wie die Leute seinerzeit ein ruckelndes Erlebnis mit ihren schwebenden rumschießenden Gefährten hatten. Mit Gefeuert! habe ich dieses Jahr ein Spiel aus dem Jahr 2003 getestet, welches ich im Gegensatz zu W.A.R. Soldiers aus dem Jahr 2002 nicht auf einem XP-System, sondern auf einem 2000er-System getestet habe. Die Entwicklung dazwischen ist eine spannende Beobachtung. Und permanent hohe Frameraten sind auf Dauer auch irgendwo langweilig, oder? Zumindest… manchmal.
Wenn man realisiert, womit man sich zufriedengeben musste: schlanke Windows-Betriebssysteme, Festplatten im läppischen Gigabyte-Bereich, schlanke Grafikkarten, separate Soundkarten und die Notwendigkeit von Lesegeräten für Datenträger wie Diskette oder CD/DVD. Man musste eine Diskette oder eine CD ins jeweilige Laufwerk eingeben, um Software zu installieren. Nicht jeder war bereit, für horrend hohe Telefonrechnungen seinen Lieblingstitel übers Internet zu ziehen, was ohnehin länger dauern konnte als die eigentliche Installation. In Zeiten von zahlreichen Grafikkarten-Herstellern war dabei noch die Vielfalt der Konfigurationsmöglichkeiten gegeben.
Witzig wird es, wenn ich mein Vorgehen auch bei Titeln praktiziere, die eine perfekte Lauffähigkeit unter Windows XP garantieren. Damit bekam im Jahr 2001 auch der Heimanwender endgültig die NT-Linie verpasst, die bis ins jetzige Windows 11 weiterhin Bestand hat. Diese Titel können mit etwas Glück darunter wunderbar funktionieren, dennoch will ich auch da meiner Mission der Authentizität treu bleiben. Weil ich es kann… selbst wenn es mit der Systemvielfalt in den späteren Jahren eng wird.
Auf ewig altbacken?
Die 100-prozentige Authentizität wird man früh oder später aufgeben müssen, das steht fest. Ein Großteil der Hardware kann selbst in späteren Jahren immer noch wunderbar funktionieren, doch gerade im Bereich der Datenträger wird es kritisch. Die Original-Datenträger werden in absehbarer Zeit nicht mehr funktionieren, die ersten PC-Spiele auf CD haben schließlich schon ihren 30. Geburtstag hinter sich gebracht. Gerade bei Spielen mit Kopierschutz wird das ein kleines Problem. Ebenso die mechanischen Festplatten werden nicht auf ewig funktionieren, weshalb ein Umstieg auf Flash-Speicher unumgänglich sein wird.
Ein absolutes Desaster stellt die Zeit ab den 2010er-Jahren dar. Das Unheil hat mit dem Klassiker Half-Life 2 aus dem Jahr 2004 angefangen: die Anbindung an einer Distributionsplattform. Das DRM wird es unmöglich machen, die Titel so zu spielen, wie man sie zu Release erlebt haben könnte. Je nachdem, ob diese Plattformen weiterhin bestehen bleiben werden, wird man nur die aktuellste Version spielen können, die womöglich auf älteren Systemen aus der Anfangszeit des Titels gar nicht laufen werden. Überhaupt wird durch die Anbindung sämtlicher Internetdienste eine Spielbarkeit früherer Versionen gar zur Unmöglichkeit degradiert.
Emulatoren werden auf langer Sicht eine der Möglichkeiten bleiben, die alten Titel am Leben zu erhalten, sofern diese nicht unbedingt eine an aktuelle Systeme angepasste Variante bieten. Dennoch wäre eine haptische Lösung für Enthusiasten wünschenswert. Sowas in der Richtung des Book 8088, welches bei AliExpress in begrenzter Stückzahl verkauft wurde: ein frisch gebautes System, welches aus veralteten Komponenten besteht. Schließlich gehen auch die Verkäufe von Schallplatten zum jetzigen Zeitpunkt durch die Decke. Und Indie-Entwickler hauen Spiele im Retrostil raus. Retro ist in, also warum auch nicht in Sachen PC-Hardware?
„Du bist doch bekloppt!“

Durch meine Frustration, damals keine brauchbare Lösung gefunden zu haben, vernünftig ältere Spieltitel spielen zu können, entstand die Idee, zeitgemäße Systeme für die Spiele anzuschaffen. Zehn Jahre später sind mir Lösungen begegnet, bei denen ich mir dachte: „Hätte ich das mal früher gesehen, dann hätte ich keine PCs gekauft“. Dennoch mag ich meine etwas eskalierte Ansammlung an PC-Systemen, die verschiedene Epochen repräsentieren. Vor allen Dingen sind drei Systeme mit 3dfx-Voodoo-Karten ausgestattet. Eigentlich ein Unding, diese Hardware weiterhin zu nutzen, was den Alterungsprozess beschleunigt. Aber ich kann es nicht lassen.
Das Spielen an diesen Rechnern vermittelt das realistische Gefühl, dass nicht jeder Titel für hohe Frameraten geschaffen ist, wenn man nicht unbedingt viel Geld in die Kiste investiert hat oder sich dem Neuen komplett geweigert hat. Meinetwegen sollen andere diese Titel digital erwerben, auf ihrer überdimensionierten High-End-Kiste installieren und es in 8K spielen. Könnte gut aussehen, könnte super funktionieren, aber es ist für mich langweilig. So spielen, wie jedermann es damals gespielt hätte, ist eine noch realisierbare Erinnerungsrekonstruktion. Und sorgt in Zeiten voller Social-Media-Inhalte immer noch für strahlende Gesichter und Flashbacks an eine wesentlich simplere Zeit. Eine Zeit, in der sogar Triple-A-Titel einen hervorragenden Ruf genossen.
Ob ich jemanden dazu motivieren könnte, denselben Weg zu gehen wie ich? Bezweifle ich. Besonders in Zeiten von Inflation, immer älter werdender Hard- und Software und immensen Stromkosten. Wenn man diese Hürde überspringen kann, ist das übermittelte Gefühl des Nostalgiefeuerwerks und die Wiederentdeckung der endlosen Geduld etwas, was man nie wieder vergessen wird, aber hoffentlich nicht wieder wegwerfen möchte.
Udo Krawallo
Ja, daß das Spielen auf zeitgemäßer Hardware seinen Charme haben kann, da gehe ich mit. Es soll halt jeder so zocken, wie er es möchte. Ich bevorzuge meine PS3(die nun nicht ganz so alt ist, aber viele emulieren lieber) auch gegenüber Emulation auf dem Desktop.
Ich sehe es an sich pragmatisch. Ehe ich mir bei Konsolen das Emulationsgedöns gebe…da hocke ich mich lieber an den Fernseher.
Bei PC kommt es immer drauf an. Bei Sachen aus der Zeit der XP-Ära läuft vieles echt nicht mehr gut oder gar nicht auf neueren Systemen. Selbst bei nicht mal so alten Titeln gibt es Probleme ab W10 aufwärts, wie ältere Trainz-Teile, dafür habe ich dann zumindest eine W8.1-Installation dazu(was so gesehen sogar auch zeitgemäß ist – mein System ist noch aus der Anfangszeit von W10 und damals war es sicher zurecht nicht so beliebt). Bei DOS-Titeln bin sehr dankbar für die DOSBox oder daß selbst auf dem Steam Deck manches top läuft. Sicher aus Bequemlichkeit 😀 .
Es gibt allerdings einige Titel, die würde ich auf originalen Systemen nicht mehr anfassen.
Thief 1/Gold und 2 etwa. Die haben vor ca. 10 Jahren eine neue, geleakte Engine bekommen, die auf neuen Systemen gut und stabil läuft und sogar immer weiter gepflegt wird. Während die originale Engine schon damals ein instabiler Murks war, der nur bedingt Spaß machte. Die meisten neuen Fan-Missionen(der Hauptgrund, warum die meisten das immer noch spielen – wobei auch die Originalmissionen ab und an mal wieder Spaß machen) laufen gar nicht mehr unter alter Hardware.
Auch bei Dungeon Keeper bevorzuge ich lieber den KeeperFX-Mod – mit Breitbild-Unterstützung und vielen Dingen, die in der Originalversion nie realisiert wurden und die das Spiel tatsächlich bereichern.
Na ja, irgendwann restauriere ich meine alten Kisten trotzdem mal 😀 .