Der 4-in-1-Stift der Formel-1-Spiele wartet mit den Saisons um die Jahrtausendwende auf, in denen Michael Schumacher um die WM kämpfte. Doch ist auch das EA-Spiel titelwürdig oder scheitert es bereits an der Qualifikation?
Wie der Titel bereits deutlich macht, umfasst das Spiel die vier Formel-1-Saisons von 1999 bis 2002, inklusive der originalen Fahrzeuge, Strecken und Piloten. Es war seinerzeit das vorerst letzte Formel-1-Spiel von Electronic Arts und für den PC. Erst mit dem Kauf von Codemasters im Jahr 2021 kehrte EA in die Königsklasse des Motorsports zurück.


Die Karriereleiter aufsteigen? Keine Chance!
Mit wenigen Klicks ist ein Profil erstellt und schon kann die Fahrt losgehen, zumindest in der Theorie. Praktisch zeigt sich hier direkt ein Problem: Die Auswahl von Saison und Team gilt für alle Spielmodi. Zwar ist es möglich, in der Meisterschaft die Saison 1999 für die Scuderia Ferrari zu absolvieren und im schnellen Rennen einen 2002er-Renault um die Strecke zu jagen, ohne dafür ein zweites Profil zu erstellen. Sichtbar ist das aber nicht, da nur die neuste Auswahl im Menü eingeblendet wird. Weitere Spielmodi sind der Testtag und die Multiplayer-Option.
Kern des Spiels ist der Karrieremodus. In jeder der vier Saisons steht jedes Team frei zur Auswahl. Die Entscheidung gilt dann für die gesamte Saison, ein Wechsel ist nicht möglich. Auch Fahrerwechsel zwischen den Teams oder Upgrades an den Boliden sind nicht enthalten.


Sowohl im schnellen Rennen als auch in der Karriere ist die Rennlänge als Anteil der Originaldistanz wählbar, von wenigen Runden bis zum kompletten Grand Prix. Ebenfalls steht es im schnellen Rennen frei, einzelne Sessions vorab auszuschließen. Wer braucht schon vier Trainingsläufe? Der Realität entsprechend geht das im Karrieremodus nicht. Für den Schwierigkeitsgrad gibt es vier verschiedene Optionen, die aber personalisiert werden können. Neben ein- und ausschaltbaren Fahrhilfen wie etwa die Traktionskontrolle, lassen sich die Simulationen von Schäden, Reifen- und Kraftstoffverbrauch sowie die Stärke und Aggression der virtuellen Piloten anpassen.
Mit der richtigen Einstellung zum Ziel
Lässt sich das Formel-1-Auto mit vielen Fahrhilfen fast so sanft über die Strecke gleiten wie eine Luxus-Limousine, wird das Fahrverhalten des Boliden ohne diese entsprechend sensibler und ist geradezu nervös. Gas und Bremse wollen wohl dosiert sein und auch die Randsteine bergen immer eine Gefahr. Schon eine kleine Unachtsamkeit reicht aus, um den Wagen entgegen der Fahrtrichtung im Kiesbett zu parken. Und wer nicht schnell genug die Kupplung betätigt, würgt auch noch den Motor ab – und das Rennen ist vorbei.
Im einfachen Setup-Menü lassen sich über vier Schieberegler Abtrieb, Federung, Balance und Getriebeübersetzung anpassen können. Der erweiterte Setup-Bereich verfügt über mehr Optionen. Von der Bremsbalance bis hin zum Reifendruck sind hier detaillierte Einstellungen möglich, entsprechende Fachkenntnisse vorausgesetzt. Eine Kurzeinführung liefert das Handbuch. Interessierte für noch mehr Daten können auf das integrierte Telemetrie-Tool zurückgreifen, das anhand von Graphen die Performance über eine ganze Runde aufschlüsselt.


Wie realistisch das Fahrverhalten der Autos ist, kann wohl nur ein Formel-1-Fahrer aus der Zeit beurteilen, aber mit wenigen Assistenzsystemen ist es wirklich schwer, den Boliden dauerhaft auf dem Asphalt zu manövrieren. Schnelle Richtungswechsel oder Grip-Unterschiede zwischen Randstein und Straße lassen den Wagen führen ohne das richtige Feingefühl schnell zum Kontrollverlust und auch durchdrehende Hinter- und blockierte Vorderräder gehören zum Rennsport-Alltag dazu. Allerdings fühlt sich der Erfolg eines Sieges umso verdienter an.
Gestreckte Strecken
Was sich allerdings weniger positiv anfühlt, ist das Geschwindigkeitsgefühl, das den bis zu 380 Kilometern pro Stunde schnellen Rennwagen nicht gerecht werden kann. Es ist praktisch nicht möglich, sich darauf zu verlassen, ohne viel zu schnell in die Kurven zu rasen. Hier braucht es viel Eingewöhnungszeit, um intuitiv den Bremspunkt richtig abzuschätzen.
Ein weiteres Hindernis sind die Strecken selbst, die die originalen Schauplätze der Formel-1-Weltmeisterschaft darstellen sollen. Wer allerdings die Strecken aus anderen Spielen oder gar die realen Vorbilder kennt, wird enttäuscht sein, dass viele Pisten verzerrt nachgestellt sind. Einige Kurven sind enger oder weiter, teilweise auch gar nicht exakt positioniert, was durchaus zur Verwirrung führen kann. Ein Paradebeispiel dafür ist Kurve 6 auf dem neuen Hockenheimring, die realistischerweise mit Vollgas durchfahren werden kann. Im Spiel ist ein Abbremsen nötig, um auf der Strecke zu bleiben. Auch die Breite der Strecken ist oft willkürlich gewählt. In der Haarnadelkurve des monegassischen Straßenkurses können hier problemlos drei Autos nebeneinander fahren – eigentlich undenkbar.
Reifen- und Kraftstoffsimulation sollen die reale Boxenstrategie nachstellen. Das funktioniert ganz gut, aber auf der Strecke wird bei der Reifentemperatur zwischen der äußeren, mittleren und inneren Seite der Lauffläche unterschieden. Das ergibt wenig Sinn, da vielmehr die Temperatur der Auflagefläche und die Kerntemperatur der Pneus entscheidend sind. Sich den Frontflügel abzufahren, ist im Spiel und in der Realität gleichermaßen schnell passiert. Dass Heckflügel aber deutlich schwieriger abzureißen sind, vernachlässigt das Spiel gekonnt. Im Gegenzug sind die Radaufhängungen erstaunlich stabil.
Wenn der Ferrari wie ein Toyota klingt
Die Performance der Autos ist der realen Rangordnung nachgebildet, aber auch weitere Eigenschaften haben es ins Spiel geschafft. So verfügen die jeweiligen Boliden der Teams über unterschiedliche Lenkrad-Designs und auch das Fahrverhalten ist spürbar unterschiedlich. Dass einige Teams ein Sechs- und andere ein Siebengang-Getriebe nutzen, ist ebenso korrekt im Spiel enthalten wie die damals übliche Startautomatik. Auch die Wettersimulation mit unterschiedlich starkem Niederschlag soll nicht unerwähnt bleiben.
Optisch präsentiert sich das Spiel geradewegs mittelmäßig. Die Fahrzeuge sind durchaus gelungen, aber die Strecken machen doch einen außerordentlich faden Eindruck und der Pixelbrei in den Rückspiegeln ist wenig ansehnlich. Da können auch die animierten Boxenstopps und die physikalisch korrekt animierten Köpfe der Piloten nicht mehr viel wettmachen. Das HUD ist der realen TV-Grafik nachgebildet und umfasst alle nötigen Informationen. Das ist vor allem für die Verfolger- oder Onboardperspektive hilfreich. Aus dem Cockpit heraus sind sie auch über das Lenkrad-Display zugänglich.

Dem Motorensound fehlt zwar, vor allem beim Herunterschalten, der Biss der echten V10-Motoren, klingt aber eigentlich sehr ordentlich – wenn nur nicht alle Teams den gleichen Motor nutzen würden. Hier fehlt es klar an der Varianz. Außerdem klingen sowohl der Kommentator in der Startaufstellung als auch der Renningenieur alles andere als natürlich. Die Aneinanderreihung der Schnipsel wird auf Dauer nervig, auch wenn sie praktisch alle Möglichkeiten abdecken.
Vier gewinnt… oder?
Das Positive zuerst: Die umfangreichen Einstellungen der Assistenzsysteme und Computergegner ermöglichen allen Erfahrungsstufen spannende Zweikämpfe auf der Strecke, bei denen die virtuellen Piloten durchaus klug und vorausschauend agieren. Auch am sehr unterschiedlichen Fahrverhalten der Autos und dem umfangreichen Setup gibt es wenig zu meckern.
Dem gegenüber stehen aber auch viele Kleinigkeiten: Dass die Teamauswahl im Profil für alle Modi gilt und die Karriere nicht übergreifend alle vier Saisons umfasst, ist allenfalls etwas nervig. Aber dass die Streckenführung und Kurven teilweise vom realen Vorbild merklich abweichen und dass alle Motoren gleich klingen, ist nur schwer zu verzeihen. Die mittelmäßige Optik kann bestenfalls um den letzten Punkt mitkämpfen. Zwar ist das Schadensmodell durchaus vielfältig angelegt, in seiner Ausführung aber euphemistisch betrachtet kreativ.

F1 Challenge ’99 – ’02 bietet enge Duelle auf der Piste und schafft den Spagat zwischen Arcade und Simulation. Abzüge gibt es für die eigensinnigen Streckenführungen und die teils schwächelnde Technik. Fans der virtuellen Königsklasse werden aber, auch dank der vier Saisons, durchaus lange Freude an dem Titel haben, wenn sie über die Mängel hinwegsehen können.
Testsystem
Betriebssystem: | Microsoft Windows 10 |
Prozessor: | Intel i5-5200U 2,2 GHz |
Grafikchip: | Nvidia GeForce 920M |
Soundchip: | Intel Wildcat Point-LP High Definition Audio |
Festplatte: | 240 GB SanDisk SSD Plus SDSSDA-240G-G26 |
Arbeitsspeicher: | 8 GB Hynix HMT41GS6BFR8A-PB DDR3-SODIMM 1600 MHz |
Daten zum Spiel
Titel: | F1 Challenge ’99 – ’02 |
Erscheinungsdatum: | 27. Juni 2003 |
Entwickler: | Image Space Incorporated |
Publisher: | EA Sports |
System: | GameCube, PlayStation 2, Windows, Xbox |