Keiner steht gerne im Stau. Keiner möchte ewig nach einem Parkplatz suchen. Wer sich die Fahrerei durch eine Großstadt nicht antun möchte, kann dies in einem Fahrsimulator durch die bayerische Hauptstadt machen.
„Erstmals in einer realen Stadt realistisch Autofahren“ – so die Beschreibung der Steam-Seite des Simulationstitels CityDriver aus dem Hause ViewApp. Eine mutige Botschaft, bei der man zuerst an andere Titel wie TruckersMP – die Multiplayer-Mod für Euro Truck Simulator 2 – denkt, jedoch einige Stellen erkennt, an denen etwas dran ist. Den Spieler erwartet „[e]in Bereich der Münchner Innenstadt im Maßstab 1:1“, die man mit „detailliert nachgebildet[en]“ Fahrzeugen erkunden kann.
Sieben Fahrzeuge mit unterschiedlichen Antriebsarten und Karosserieformen können vom Föhringer Ring bis zum Karlsplatz bewegt werden und durchkreuzen dabei Wahrzeichen wie das Siegestor oder den Stachus. Zusätzlich zu engen Nebenstraßen gibt es einen innerstädtischen Autobahnabschnitt. Die Umgebung muss dabei nicht zwingend vom Innenraum aus erkundet werden; es gibt die Möglichkeit, sich auch zu Fuß zu bewegen.
Anschnallen, es geht los!


Bevor der Spieler auf die Straßen von München losgelassen wird, kann dieser einige Fahrtrainings im Tutorial absolvieren. Jedoch kann man den Trainingsbereich auch im eigentlichen Spiel im Norden der Karte erreichen. Zu Beginn kann das Fahren mit manuellem und automatischem Schaltgetriebe erlernt werden. Dafür dreht man eine kleine Runde über den Platz, der wie ein Verkehrsübungsplatz wirkt.
Weitere Trainingsmöglichkeiten umfassen die Aufgaben Parken, Wenden, Slalom und Ausweichen. Jedoch kann man sich auf dem freien Platz mit einem der lizenzfreien Vehikel austoben und das eigene Geschoss an die Grenzen des Möglichen bringen, bis die Reifen anfangen zu quietschen und sich das Untersteuern bemerkbar macht.
Die äußerst detaillierten Fahrzeugmodelle sind hübsch anzuschauen. Alle Türen lassen sich öffnen und selbst im Innenraum lassen sich einige Bedienelemente wie die Sonnenblende, die Gangschaltung oder das Touchscreen-Radio benutzen. Könnte man bloß noch die Lüftung einschalten oder die Fensterheber bedienen, würde es sich fast schon wie in einem richtigen Auto anfühlen. Selbst die Cockpitanzeigen überzeugen und der Leerlauf ist nicht konstant. Realistisch.
Fahrzeuge mit Verbrennermotor geben Geräusche von sich, sobald es das eigene ist. Elektrofahrzeuge und die des gesamten Umfelds geben keine Motorengeräusche von sich. Teilweise bedauernswert, denn eine so leise Atmosphäre wünscht man sich zu gerne.
Mit dem SUV zum Biobäcker


An insgesamt 31 Startplätzen kann man die Spritztour durch einen kleinen Teil der Münchener Innenstadt starten, nachdem man sich ein Vehikel ausgesucht hat, welches man vorher in verschiedenen Farben gestalten kann. Im Spiel lässt sich dennoch ein neues, eigenes Fahrzeug spawnen.
Im Gegensatz zu üblichen Vertretern dieses Genres startet man direkt zu Fuß. Zwar ist die Fußinteraktion ziemlich begrenzt – mehr als bewegen und Aktionen ausführen ist nicht drin – aber es ist eine Abwechslung. Zu Fuß können die Türen des eigenen Fahrzeugs geöffnet und gelegentlich sogar Gegenstände darin platziert werden. Selbstverständlich kann sich auch ans Steuer gesetzt werden, um das Abenteuer Innenstadtstraßen zu erleben. Motor gestartet, Gang eingelegt und ab geht’s.
Während der Fahrt durch das morgendliche München, dessen Zeit auf 7:30 Uhr eingefroren ist, spürt man, wie realistisch der Berufsverkehr abläuft. Dauernd rote Ampeln, übervorsichtige Verkehrsteilnehmer warten zu lange beim Abbiegen, Reißverschlussverfahren funktionieren überhaupt nicht und Vollhonks nehmen einem teilweise die Vorfahrt. Bewohner von winzig kleinen Dörfern haben nach einer Partie das Gefühl, dass so ein ÖPNV gar nicht schlecht wäre. Man kann sich aussuchen, ob das positiv oder negativ ist.
Zu schnelles Fahren, Rotlichtverstöße oder das datenschutzrechtliche Abbiegen werden vom Spiel bestraft. Immerhin gibt es bei Geschwindigkeitsbeschränkungen eine Toleranz von bis zu 10 km/h. Jedoch gibt es keine großartigen Nachteile nach den ganzen Verstößen. Eigentlich kann man Rampensau – oder einen klischeehaften, typisch deutschen Autofahrer – spielen, bis das Spiel abstürzt. Es genügt allerdings schon, wenn die anderen schon leicht übers Limit fahren. Dennoch: richtige Konsequenzen gibt es nicht.
Road to hell


Im fahrbaren Gebiet von München warten einige Sehenswürdigkeiten darauf, entdeckt zu werden. An Fotosymbolen gibt es zu ihnen einige Informationen. Jeder Laden – egal, ob Supermarkt, Drogerie, Kino oder der einzige GameStop im Bereich – hat seltsamerweise 24 Stunden geöffnet und ist mit echten Marken versehen. Ganz im Gegensatz zu den Automarken oder den Lieferanten, die durch die Gegend fahren. So ist etwa ein Porsche als Ferdinand getarnt unterwegs.
Aufträge, wie Umzugskartons von A nach B bringen, Großeinkäufe erledigen oder mit wenig Sprit oder wenig Batterieladung an der nächsten Auftank- oder Auflademöglichkeit ankommen, können erledigt werden, bringen aber keinerlei Benefits bei der Erfüllung. Ebenso wenig die zufällig in SMS-Form auftauchenden Aufträge, die von Freunden oder Kollegen kommen.
Dabei kann man am Touchscreen-Radio die Karte mit der Route begutachten oder das Radioprogramm einschalten. CityDriver hat das Radioprogramm-Portfolio des Bayerischen Rundfunks und den Sender simulator1 integriert. Fährt man in einen Tunnel, wird dem Radioton ein Rauschen beigefügt. Und steigt man aus dem Auto, ist das Radio noch ganz dumpf wahrnehmbar. Auch die anderen Verkehrsteilnehmer können Musik hören. Nette Details.
Zwar registrieren die anderen Fahrer den Spieler, wenn dieser im Weg steht oder gerade die Vorfahrtsstraße durchquert, jedoch ist das beim Spurwechsel nicht immer der Fall. Da kann es durchaus vorkommen, dass ohne Rücksicht auf Verluste einfach die Spur weggenommen wird und ein Zusammenstoß meist unvermeidbar ist. Dann verweigert der Geschädigte die Weiterfahrt mit Warnblinkzeichen und verschwindet aus der Welt. *plopp*
Im bisherigen Zustand lässt vor allen Dingen der Umfang an Fahrzeugen zu wünschen übrig. Klar, München ist eine teure Stadt. Das heißt aber nicht, dass mir nur sieben Fahrzeugtypen – in der immerhin 35 Euro teuren Basisversion – auf den Straßen begegnen müssen. Erfreulicherweise erlaubt das Spiel das Hinzufügen weiterer Fahrzeuge mithilfe der Steam-Workshop-Anbindung, die dieses Manko hoffentlich bald beheben kann.
Durch den TÜV gerasselt


CityDriver ist alles andere als frei von Macken. Auf unserem Testsystem ist die Performance in der Voreinstellung „Ultra“ und bei einer Auflösung 2560×1440 Pixel zwar gut, aber stellenweise stark ruckelig. Bis Redaktionsschluss ist der seltsame Frameeinbruch, wenn man an Passanten ganz dicht vorbeiläuft, geblieben.
Unverständlich sind zudem einige Verkehrssituationen. Solange sich ein Fahrzeug im Kreuzungsbereich befindet, bewegen sich andere kein Stück weiter, obwohl sie könnten. Manchmal fahren diese allerdings selbst bei keinem sichtbaren Hindernis partout nicht durch grüne Ampeln oder bleiben stur beim Spurwechseln. Diese Spurwechsel verlaufen so zimperlich, dass es zu Staus oder gar zu Überlappungen kommt.
So aktiv auch das Geschehen auf den virtuellen Straßen von München ausschauen mag, ist es schade, dass der ÖPNV offensichtlich streikt, denn es existiert schlichtweg keiner. Die Straßenbahnschienen und Bushaltestellen laden förmlich dazu ein, der Stadt noch ein wenig mehr Leben und Realismus einzuhauchen.
Logischerweise muss man den Spieler davon abhalten, abgelegene, wenig modellierte Bereiche zu erreichen. Die Macher konnten sich da allerdings nicht so richtig entscheiden, wie sie das konsequent umsetzen wollten. Zwar gibt es sichtbare Symbole und das Spiel respawnt den Spieler zu einer anderen Stelle, aber das teilweise nicht korrekt. Die zusätzlichen, unsichtbaren Wände auf den Straßen führen gerne zu verheerenden Situationen, in denen man sich erst gar nicht aus dem Schlamassel befreien kann.
Neben diesen gab es noch weitere Fehler wie gelegentliche Abstürze oder fehlender Ton. Nichtsdestotrotz muss man die Grafik loben, die für eine Simulation recht ansehnlich gestaltet wurde. Die Fahrphysik ist realistisch gehalten und 50 km/h fühlen sich auch an wie 50 km/h.
Fazit: Viel zu erleben, viel zu beheben
CityDriver könnte für kurze Zeit Laune machen. Die gelungene Verkehrssimulation vermittelt ein realistisches Gefühl, sich durch den Großstadtdschungel mit verwinkelten Straßen, langsamen Vorankommen und vermaledeiter Parkplatzsituation zu kämpfen. Die detaillierten Fahrzeugmodelle sind äußerst schick ausgefallen und die virtuelle Rundfahrt durch den umgesetzten Teil von München ist nett anzusehen, zumal die Umgebungen einen guten Wiedererkennungswert haben.
Zahlreiche Macken verderben allerdings den problemlosen Spieltrieb. Falsch gewertete Verstöße, Verwirrungen bei Kartenbegrenzungen, Performance-Probleme und ein Verkehr, der nur aus (bisher) wenigen Fahrzeugtypen besteht und keine öffentlichen Verkehrsmittel zu sehen sind. Als würde die FDP in der Stadt regieren.
CityDriver ist seit dem 5. Juni 2023 auf Steam zum Preis von 34,95 € erhältlich. Zum Start sind zwei weitere Fahrzeuge zum Preis von je 8,95 € zu haben. In unseren Augen etwas teuer für das bisher Gebotene.

Endlich virtuell in München im Berufsverkehr schleppend vorankommen: Wer darauf Bock hat, findet in CityDriver seinen Fahrsimulator. Optisch ist ViewApp hier ein überaus appetitlicher Leckerbissen gelungen, dessen Details durchaus Gefallen finden. Die unangenehmen Nebenwirkungen, die das Spiel mit sich bringt, schlagen allerdings kräftig auf den Magen. Hardcore-Fahrer geben sanft Gas, andere ziehen bei den zahlreichen Macken besser gleich die Handbremse.
Hinweis: Das Spiel wurde kostenlos von Aerosoft zur Verfügung gestellt. Getestet wurde die Release-Version.
Daten zum Spiel
Titel: | CityDriver |
Erscheinungsdatum: | 5. Juni 2023 |
Entwickler: | ViewApp |
Publisher: | Aerosoft |
System: | Windows |
Testsystem
Betriebssystem: | Microsoft Windows 11 Version 22H2 |
Prozessor: | AMD Ryzen 7 3700X |
Grafikkarte: | NVIDIA GeForce RTX 3070 Founders Edition |
Sound: | Realtek ALC892 |
SSD: | Crucial MX500 1TB |
Arbeitsspeicher: | 32GB DDR4-3200 |
Udo Krawallo
Entwickler ViewApp und Publisher Aerosoft – was erwartet man da? Nichts. Aerosoft verkauft seit Jahren überteuerten und unausgereiften Schrott. Das sage ich als leidgeprüfter Simulator-Veteran.
Früher landete sowas nach einer Weile für ein paar Euro auf dem Grabbeltisch. Na, heute ist das ja eine aussterbende Sache und man kann halt bei Steam den Quark verramschen, genug Leute fallen ja darauf rein.
ViewApp hat hier sicher nur die München-Map resteverwertet, die man auch vom Tramsim Munich her kennt.
Und da kannste dir auch Straßenbahnen angucken, aber nur einen Typ von vier. Kann ich auch nicht empfehlen.
Ein Bekannter aus München meinte, teils sieht das realistisch aus, aber größtenteils Fantasie.