Jo Bless will an seinem letzten Arbeitstag den Ex-Kollegen bei der Arbeitserleichterung helfen – wenn auch auf die völlig zynischste Art und Weise. Wie spielt sich das moralisch bedenkliche Geschicklichkeitsspiel nach 20 Jahren?
In Computerspielen virtuell Streiche spielen, ist eine Sache des Geschicks. Man darf sich bei der Vorbereitung nicht erwischen lassen und das gewünschte Endergebnis sollte für reichlich Lacher sowohl beim Täter als auch beim Opfer hinterlassen. Am Ende hat jedoch meist der Täter mehr zu lachen. Diesem Beispiel folgt etwa der Titel Böse Nachbarn aus dem Jahr 2003.
Ebenfalls aus dem Jahr stammt Gefeuert! Dein letzter Tag…, in dem der Protagonist allerdings einen wesentlich größeren Rachefeldzug gegen die Mitarbeiter des Ex-Arbeitgebers plant und jede Menge Chaos in den Büroräumen anrichtet. Das geht von Manipulation der Computer-Arbeitsplätze bis hin zum Übermitteln von Firmengeheimnissen an die Konkurrenz. Die Demoversion gilt als Kult, offenbar weniger bekannt ist hingegen die ab 27. Februar 2003 erhältliche Vollversion, die man seinerzeit für 19,99 Euro erwerben konnte.
Moral? Welche Moral?


Chaos stiften lässt sich über zwei Modi: im „Zeitmodus“ muss die geforderte Punktzahl so schnell wie möglich erreicht werden, im „Punktemodus“ muss wiederum innerhalb des Zeitlimits so viele Punkte wie möglich gesammelt werden. Insgesamt 21 Bürokomplexe warten darauf, vom Protagonisten in Schutt und Asche gelegt zu werden. Man kann mit Anne Employed auch einen weiblichen Charakter steuern, grundsätzlich scheint mit Jo Bless allerdings eher der männliche Charakter im Vordergrund des Spiels zu stehen.
Wird ein Level gestartet, gibt es eine Beschreibung, Bürogröße und Schwierigkeitsgrad. Außerdem wird angegeben, wie viele Punkte innerhalb welcher Zeit erreicht werden müssen. Ist das geschafft, werden zwei weitere schwierigere Level freigeschaltet. Diese erscheinen im Menü dann mit einem gelben Punkt.
Grundsätzlich bestehen die Firmenetagen aus teils gemeinsam genutzten, aber auch teils von einer Person besetzten Büroräumen, einer Küche und den Sanitäranlagen. Manchmal gibt es zusätzlich noch „Bosszimmer“, Präsentations- oder Wartungsräume, die Gegenstände mit Interaktionsmöglichkeiten beherbergen. Diese Gegenstände pulsieren in verschiedenen Farben. Rot lässt keine Interaktion zu, bei einer gelben Farbe ist man zu weit weg und Weiß ist der Idealzustand… solange keiner in der Umgebung ist. Denn man darf sich dabei nicht erwischen lassen.
Ex-Kollegen = Feinde


Am einfachsten hat man es in Räumlichkeiten, in denen sich niemand aufhalten möchte. Hier ist es leicht, Punkte zu sammeln. Doch manchmal sollte man die Gunst der Stunde nutzen, selbst stark frequentierte Räumlichkeiten aufzusuchen, sobald die Luft rein ist. Dies kann man nämlich zum Vorteil nutzen, die Ex-Kollegen zur Weißglut zu treiben, was Extrapunkte einbringt. Für jeden Aufreger gibt es 25 Punkte. Manche sind doof genug und regen sich über die Sache jedes Mal auf. Als hätten sie es vorher wieder vergessen.
Die Büroangestellten verweigern sogar ihre eigentliche Arbeit, wenn deren Arbeitsplätze manipuliert werden. Etwa, weil die Festplatte formatiert wurde oder Viren installiert wurden. Das gibt die Möglichkeit, sich am Schreibtisch auszutoben. Etwa obszöne Faxe anfordern, sinnlos Pizza bestellen, die Druckerpatrone stehlen oder die Aktenablage „optimieren“. Was man noch zu den eher harmloseren Scherzen zählen könnte. Es geht aber auch eine Stufe härter.
Einmal den Aktenkoffer vom Chef durchsucht und mit dem Tresorcode einfach mal die Firmengeheimnisse mitgehen lassen. Oder mit einer Rauchbombe die Klimaanlage verpesten. Mit einer Trinkflasche kann man zudem seine Blase füllen, um etwa irgendwohin zu urinieren oder in die Kaffeekanne der Kaffeemaschine. Letzteres wird vom Spiel als „Verwöhnaroma für die Kollegen“ betitelt und bringt stolze 1000 Punkte. So viel zur Moral des Werkes.
Mach‘ kaputt, was Dich kaputt macht


Hilfreich sind die Gedankenblasen über den Kollegen, die nach einem Mausklick einen Sichtbereich offenbaren und mit Namen aufkommen wie „Claire Grube“ oder „Roy Behr“. Einmal im Sichtbereich sollte man nicht gerade irgendwelche Zerstörungen vornehmen. Wenn man erwischt wird, kommt ein Simon-sagt-Minispiel. Umso öfter man erwischt wird, desto mehr Symbole müssen erraten werden. Drei Fehlversuche führen zum Game Over.
Häufig führen Kombinationen zu mehr Interaktionsmöglichkeiten und damit zu mehr Punkten. Sammelt man etwa einen Klebestift ein, kann man den Münzeinwurf eines Kaffeeautomaten verkleben. Oder man stiehlt Toilettenpapier von einer Kabine, was es ermöglicht, in Kombination mit einem Feuerzeug einen Globus in Papier einzurollen und anzuzünden. Findet man eine Matrixpille, bewegen sich alle Charaktere in Zeitlupe, was ein wenig mehr Zeit für mehr oder weniger schäbige Scherze verschafft.
Ein weiterer möglicher böser Scherz ist die Möglichkeit, die Ex-Kollegen in der Toilette einzusperren. Steht auch noch ein Putzeimer daneben, kann man diese eingesperrten Mitarbeiter auch noch nassspritzen. Das bringt zumindest den Vorteil, dass man deren Arbeitsplätze lang genug verwüsten kann. Enorme Vorteile bringt es, wenn man dies mit dem Chef tut. Die Aktionen in seinem Zimmer bringen viele Punkte.
Die Kunst der Verwüstung


Die Aktionen, die man in jedem Level vornehmen kann, wiederholen sich sehr schnell, weshalb man nach einigen Stunden Spielzeit die Abwechslung vermisst. Lediglich der Schwierigkeitsgrad wird dadurch erhöht, dass die Büroräume entweder größer werden oder deutlich frequentierter sind als in den Parts zuvor. Das macht es noch aufwendiger, beim essenziellen Teil des Spiels erwischt zu werden.
Ärgerlich ist die Tatsache, dass die Steuerung äußerst hakelig ausgefallen ist. Manchmal kommt es vor, dass man an bestimmte Plätze nicht rankommt, weil man an Gegenständen festhängt. Selbst die exakte Auswahl von Gegenständen kann zur Tortur werden. Das fällt besonders auf, wenn man einen Papierkorb unter einem bereits zerrissenen Poster anzünd… ich meine… benutzen möchte. Und wenn sich neben einem Gegenstand mit Tür etwas befindet, sollte man damit rechnen, es wegen fehlender weiterer Kameraoptionen nie wieder auswählen zu können.
Selbst wenn die Systemvoraussetzungen nicht sonderlich hoch ausfallen (600 MHz CPU, 128 MB Arbeitsspeicher, Grafikkarte mit 16 MB Speicher), lief es auf dem Testsystem nicht unbedingt im angenehmen Bereich. Teilweise musste sich das Spiel erst fangen, um wieder in einen akzeptablen Framerate-Bereich zu gelangen. Bis auf einen unvorhergesehenen Absturz und gelegentlichen Tonproblemen lief das Spiel durchgehend ohne besondere Vorkommnisse.
Insgeheim wirkt der Zeitmodus etwas kniffliger als der Punktemodus, das liegt an den Voraussetzungen, die etwas höher gesetzt sind. Im Testzeitraum konnten im Punktemodus jedoch einige schwierigere Level besser gelöst werden als leichtere. Die Musik ist nicht sonderlich spektakulär ausgefallen. Soundtechnisch passt es zur Büroatmosphäre, das hebt sich allerdings ebenfalls nicht unbedingt hervor.
Ein Mistkerl-Spiel?
Wie soll man ein Spiel bewerten, in dem man einen Charakter steuert, der wegen was auch immer gefeuert wurde und sich nun nach Rache an seinen Ex-Kollegen sehnt? Unabhängig vom Hintergrund steht es außer Frage, dass die Aktionen, die im Wesentlichen zum Weiterkommen beitragen, moralisch äußerst fragwürdig ausgefallen sind. Absurd böse Maßnahmen führen zu großen Punktzahlen.
Dennoch darf man diese Spielidee als originell ansehen. Wann hat man mal die Möglichkeit, virtuellen Büroangestellten eins auszuwischen? Man fiebert richtig mit, so viele Gegenstände wie möglich zu zerstören oder zu manipulieren, damit der Punktestand kräftig gefüllt wird. Dieser Spieltrieb ist sehr zu begrüßen. Selbst wenn man dafür fast schon über Leichen gehen muss.
Im Büro ist die Hölle los. Wer hat die Festplatte formatiert? Warum hat der Drucker keine Patronen mehr? Und warum schmeckt der Kaffee nach Urin? Die Scherze, die im Spiel Gefeuert! Dein letzter Tag… fürs Punktesammeln durchgeführt werden müssen, sollte man sich moralisch absolut nicht hinterfragen, denn diese werden ganz schnell ganz böse. Die Geschicklichkeit, bei all den Aktionen nicht erwischt zu werden, ist allerdings begrüßenswert. Dennoch wiederholt sich das ganze Kaputtmachen schnell, während man in den grafisch trostlosen Büroräumen herumwatschelt. Wer gelegentlich die Wut aus seinem Büroalltag ablassen möchte, kann einen vorsichtigen Blick riskieren.
Testsystem
Betriebssystem: | Microsoft Windows 2000 Professional |
Prozessor: | AMD Athlon 1000 |
Grafikkarte: | 3dfx Voodoo5 5500 |
Soundkarte: | Creative SoundBlaster Live! X Gamer CT4760 |
Festplatte: | Western Digital WDC WD400BB 40 GB |
Arbeitsspeicher: | 384 MB SDRAM |
Daten zum Spiel
Titel: | Gefeuert! Dein letzter Tag… |
Erscheinungsdatum: | 27. Februar 2003 |
Entwickler: | Limbic Entertainment |
Publisher: | Blackstar Interactive |
System: | Windows |