Sega Rally • Offroad-Fahrt im Rallye-Gewand

Durch Straßen und Schlamm führen die Kurse in Segas vorerst letztem Rallye-Spiel für den PC. Wie schlägt sich das Rennspektakel mit Entscheidungs-Schwierigkeiten nach 15 Jahren? Endet die Fahrt womöglich im Graben?


Die Vorderseite der Hülle der deutschen Erstauflage

Das damals frisch gegründete Sega Racing Studio wurde in den 2000er Jahren beauftragt, in die Fußstapfen von AM3 zu treten, um einen würdigen Nachfolger von Sega Rally Championship aus den 90er Jahren zu entwickeln. Mit Sega Rally (Sega Rally Revo in den USA) erschien am 28. September 2007 für Konsole und Windows-PCs ein Rennspiel, welches zumindest auf der Packung mit Features wie einer „riesige[n] Auswahl an verschiedenen Fahrzeugen“ und „dynamische[r] Bodenformation“ wirbt. Es bliebt ihr einziges Werk.

15 Strecken von den Alpen bis zur Safari mit unterschiedlichen Bedingungen wie Schnee, Schotter, Schlamm, Eis und Matsch warten auf den Spieler, der auf diesen mit den insgesamt 34 Fahrzeugen antreten darf, von denen aber einige erst durch das Erkämpfen von Punkten in den Meisterschaftsrennen freigeschaltet werden können, inklusive einiger Verzierungen und Strecken für die restlichen Modi.

Die Haare zu Berge

Vor dem Spielstart können im Launcher Einstellungen vorgenommen werden. Diese beinhalten die Soundkarte samt Audioqualität, Steuerung und Grafik. Während die Grafikeinstellungen mit umfangreichen Optionen glänzen, patzt ganz besonders die Konfiguration der Steuerung, die lediglich bei Controllern eine freie Wahl der Belegung anbietet. Liebhaber der Tastatursteuerung müssen die recht veraltete Methode verwenden, mit A und Y zu beschleunigen und zu bremsen und mit der Punkt- und Kommataste zu lenken.

Eine Maus braucht es während des gesamten Spiels überhaupt nicht, denn das schlichte Hauptmenü im visuell aufwendigen Fotobetrachtungs-Stil wird simpel über die Tastatur oder den Controller gesteuert. Hierüber können die vier Modi mit Meisterschaft, schnellem Rennen, Zeitrennen und Mehrspieler ausgewählt werden. Die Werkstatt erlaubt nur Einblicke in ein paar Statistiken. Die Optionen im Spiel sind erschreckend mau ausgefallen. Gut, einiges ließ sich vorher einstellen.

Beim schnellen Rennen können die freigeschalteten Strecken, Fahrzeuge und Designs ausgewählt und ohne Punktesystem gefahren werden. Versteckt in der Auswahl des Vehikels ist zudem die Auswahl des KI-Schwierigkeitsniveaus. Zeitrennen erlaubt Fahrten ohne Gegner, um in Ruhe Rundenrekorde aufstellen zu können. Einzig das eigene Phantom kriegt man als nicht störenden Gegner zur Verfügung gestellt.

Der Minimalismus macht sich definitiv im gesamten Spiel breit, denn Sega kann seine Arcade-Gewohnheiten hier nirgends verstecken. Für ein Rallye-Spiel geizt man stark mit aussagekräftigen Details. Was leisten die Fahrzeuge? Wie schaut der Streckenverlauf aus? Welche Rundenzeiten hat welcher Nutzer auf Strecke XYZ hingelegt? Wer solch eine Fülle an wörtlichen Details sucht, ist in diesem Spiel definitiv falsch. Aber wir haben ja noch nicht richtig angefangen…

Der Schnee zur Taue

Die Meisterschaft besteht aus drei Kategorien, die mit Fahrzeugen der Klasse Premier, getunten Fahrzeugen und den Klassikern genannte „Masters“ befahren werden können. Es gibt es drei bis vier Kurse in unterschiedlichen Schwierigkeitsklassen, auf denen drei Runden gefahren werden müssen. Ein Punktesystem entscheidet, welcher der sechs Fahrer würdig ist, weiterzukommen. Aber selbst, wenn man laut dem Punktesystem eine Meisterschaft für sich entscheiden konnte, könnte eine schlechtere Platzierung in einem der Rennen schon dafür sorgen, einer weiteren Kategorie wegen zu weniger Punkte fernzubleiben.

Aber nicht nur Meisterschaftskategorien, sondern auch Designs bereits auswählbarer Fahrzeuge, neue Autos und Strecken können freigeschaltet werden. Die Strecken können dann auch in umgekehrter Richtung und während einer anderen Tageszeit befahren werden. Es existiert zwar noch ein Mehrspielermodus, doch den Splitscreen-Modus können wir aus zeitlichen und den Online-Modus aus offensichtlichen Gründen nicht testen.

Hat man sich vor dem Start eines Rennens für ein auswählbares Fahrzeug und ein Design entschieden, gibt es noch eine Auswahl des Handlings: „Rally“ für mehr Bodenhaftung oder „Straße“ für höhere Beschleunigung und mehr Geschwindigkeit. Für drei bis vier Rennen mit unterschiedlichen Bodenbeschaffungen eine harte Entscheidung, die da getroffen werden muss, denn nachträglich lässt sich das nicht verändern. Details zur Bodenbeschaffung und den Schwierigkeitsgrad kann man stattdessen beim schnellen Rennen vorher einsehen. Wäre auch schön gewesen, vor dem Start eines Meisterschaftsrennens da nicht im Regen stehen gelassen zu werden.

Das Vehikel zum Fahre

Typisch für Arcade-Rennen: der Spieler stellt sich gefälligst hinten an. Egal, wie gut man vorher gefahren ist: Man startet immer vom letzten Platz. Und dabei kann die seltsame Fahrphysik zum Nachteil werden, wenn man bemerkt, wie flott die KI davon braust. Die Steuerung braucht ein wenig Eingewöhnungszeit, doch mit der Zeit hat man den Dreh raus, um geschmeidig durch die Kurven zu driften. Überhaupt driftet man sehr oft. Und diese Manöver sollten auch gelingen, sonst kratzt man an der unsichtbaren Streckenbarriere, die kein Schneiden der Kurven erlaubt. Zur Not helfen beherzte Griffe zur Handbremse.

Und nicht nur auf der Strecke ist ordentlich was los, selbst rund um den Kurs lohnt es sich, mal einen kurzen Blick zu riskieren, wenn die Seilbahn in den Alpen losfährt, die Tiere bei der Safari ihre Laute von sich geben, Hubschrauber die Fahrbahn umkreisen, das begeisterte Publikum vor lauter Schreck ihre Blitzfunktion aktiviert lassen… obwohl sie gar nicht fotografieren. Die kriegen zum Glück nichts davon mit, wenn die Rennpiloten ihre Wagen reif für die Waschanlage machen, indem sie durch den tiefen Schlamm, durch staubigen Wüstensand oder durch steinewirbelnden Kies fahren.

Eines der beworbenen Highlights sind die Bodenformationen, die während des gesamten Rennens bestehen bleiben und sich von Runde zu Runde verändern. So entstehen Spurrillen, in denen man sich gerne verfangen kann und worin das Fahrzeug versinkt. Selbst Wasserspuren nach großen Pfützen sind da völlig normal. Das sieht nicht nur äußerst hübsch aus, sondern bringt Dynamik ins Renngeschehen. Besonders, wenn die Spuren sich zum Ende hin noch vermehren. Wie das wohl nach mehr als drei Runden ausgesehen hätte?

Ebenfalls hübsch anzusehen ist, was alles an der Karosserie haften bleibt. Fährt man durch nasse Erde, bleibt diese logischerweise im unteren Fahrzeugbereich hängen. Es sei denn, man gönnt sich eine kurze Unterbodenwäsche in der Pfütze. Im Sand und im Kies haften entsprechend farbige Schmutzspuren und selbst Schnee verfärbt den unteren Teil der Karosserie weiß. Nur zu schade, dass man dies nicht von innen sehen kann, denn trotz vier existierender Kameraperspektiven fehlt eine Innenraumperspektive völlig. Ein nettes Detail wie die Benutzung der Scheibenwischer hätte da auch nicht geschadet. Für den Extraschuss Realismus wäre ein Schadensmodell nicht schlecht gewesen, doch so spart man sich die nervige Reparatur wichtiger Teile am Ende der Partie.

Die Auswahl zum Umfange

Das Portfolio an fahrbaren Untersätzen ist nicht unbedingt klein. Sega hat sich um Lizenzen bemüht und hat Hersteller typischer Rallye-Vertreter für sich gewinnen können. Zu den Autos gehören etwa: Subaru Impreza, Ford Focus, Peugeot 206, Volkswagen Golf und Citroën Xsara. Neben den aktuellen Rallye-Wagen kommen auch motortechnisch modifizierte Vehikel und Klassiker wie Lancia Delta, Toyota Celica oder Audi Quattro zum Einsatz. Freischaltbar sind darüber hinaus noch Fahrzeuge wie ein Buggy.

Das Handling aller Autos ist im Großen und Ganzen recht ähnlich. Wäre das Spiel nicht gerade ein Arcade-Titel, hätte man das negativ aufgefasst. Lediglich in den höherwertigen Fahrzeugkategorien verändert sich merklich die Höchstgeschwindigkeit und das Beschleunigungsverhalten. Da sich das Handling nicht großartig ändert, steuern sich die späteren Fahrzeuge dementsprechend schlechter und erfordern mehr Konzentration.

Ansonsten scheint man beim Umfang etwas gegeizt zu haben. Fünf Umgebungen mit je drei Strecken, das klingt nicht sonderlich viel. Dafür schaut nicht alles immer gleich aus wie bei ähnlichen Titeln. Und selbst Profis könnten auf späteren Meisterschaftsstrecken durchaus an der harten KI verzweifeln, weshalb gerade da eine Auswahl mit Schwierigkeitsgraden keine schlechte Entscheidung gewesen wäre. So langweilen sich Profis und ärgern sich Anfänger.

Dem Ärger zum Trotze

Sega Rally ist nicht frei von Macken. Auf dem Testsystem wurden nach der ersten Spielsession sämtliche Updates für Windows Vista installiert, wovon mindestens ein Update eine Fehlfunktion des Sounds bewirkt hat: Man hat nur die Musik und ein paar Geräusche im Hauptmenü gehört. Der in den Optionen auswählbare Spiegel taucht nur in einigen Perspektiven auf. Da hilft nur der Blick nach hinten, den man aber nicht zu lange machen sollte.

Kleinere Soundbugs wie unvollständige Laute der Weidentiere kann man noch verzeihen. Jedoch nicht der Verzicht auf einen Startmenüeintrag bei einer späteren Installation des Spiels. Ebenso ist die nicht modifizierbare Tastatursteuerung ein großes Manko. Das macht den Vorteil, wenigstens eine Hand zum Kratzen am Gesicht frei zu haben, zunichte. Unschön ist auch, wenn die Vehikel ihre Reifenspur gerade am Vorderreifen etwas verspätet entstehen lassen. Zudem ist die Musikauswahl nicht unbedingt ein Kracher. Tut nicht weh, aber es gibt bessere. Immerhin die Geräuschkulisse kann bis auf die erwähnten Patzer überzeugen.

Nichtsdestotrotz glänzt das Spiel in Sachen Grafik. Selbst 15 Jahre später kann sich die Grafik bei entsprechenden Einstellungen (hier etwa 1024×768 Pixel, Shader-Level 3.0, Details hoch und 4x MSAA) sehen lassen. Die Details im Schotter sind schön anzusehen, ebenso auch die Sonnenreflexionen auf dem Boden und den Pfützen. Die Fahrzeugmodelle bekamen hochauflösende Texturen spendiert, das sorgt für einen sehr guten Eindruck in der Kategorie. Und damit es so hübsch ausschaut, musste das Testsystem bei durchgehend hohen Framerates nicht mal leiden.

Dem Ende sein Plädoyer

In der Wiederholung sind die Rennen spektakulär in Szene gesetzt.

Ich bin etwas zwiegespalten, das ist Sega Rally allerdings auch. Streng genommen ist das nicht mal Rallye, wenn man mit Rallye-Fahrzeugen auf Offroad-Rundkursen unterwegs ist. Eigentlich fährt man von A nach B und nicht von A nach A. Vor allen Dingen fehlen, um mit der Konkurrenz à la Colin McRae Rally mitzuhalten, einige Sachen. Ein Streckenverlauf vor Rennbeginn, technische Details zu den Fahrzeugen, einstellbare Feinjustierungen, Schadensmodell,… die Liste könnte man noch lange weiterführen. Also eigentlich ein „Rallye“-Spiel für die schnelle Runde zwischendurch und damit perfekt für Anfänger, oder?

Jein. Gerade Anfängern würde ich raten, vorher probezuspielen. Der Schwierigkeitsgrad schwankt von Rennen zu Rennen. Da kann es Partien geben, in denen Anfänger vor Glück strotzen, aber auch Partien, in denen diese Gruppe zu gerne den Computer aus dem Fenster schmeißen würden. Und Profis? Die ärgern sich, dass es an allen Ecken und Kanten Sachen gibt, die sie schmerzlich von einem Spiel dieser Art vermissen. Zumal sie nicht einmal die Kurve kratzen können, da die unsichtbare Barriere sie dank einer heftigen Verzögerung daran hindern und dies ebenfalls zu Frust führen kann.

Sega Rally macht es mir nicht leicht, ein Fazit zu bilden. Über die hübsch gestalteten Landschaften mit den Rallye-Fahrzeugen zu fahren ist optisch ein Augenschmaus, alleine die dynamischen Bodenformationen zählen zu den Highlights des Rallyespektakels. Unsichtbare Barrieren, wenig Informationsgehalt zum gezeigten Content und eine simpel ausgelegte Steuerung sollen vor allen Dingen Gelegenheitsspieler ans Cockpit locken, die allerdings wegen der unberechenbaren KI ins Lenkrad beißen. Und Profis fahren mit der Konkurrenz zwar nicht unbedingt schöner, aber in den restlichen Belangen besser. Trotz alledem die hübscheste Entscheidungsschwierigkeit, die ich je spielen durfte.


Testsystem

Betriebssystem:Microsoft Windows Vista Home Premium 32-bit (teilweise mit Service Pack 2)
Prozessor:AMD Phenom X4 9600B
Grafikkarte:Gainward GeForce 9800 GT Green Edition
Soundkarte:Creative SoundBlaster X-Fi Xtreme Audio SB0820
Festplatte:Western Digital WDC WD3200AAKS 320GB
Arbeitsspeicher:4GB DDR2-1066

Daten zum Spiel

Titel:Sega Rally
Erscheinungsdatum:28. September 2007
Entwickler:SEGA Racing Studio
Publisher:SEGA Europe
System:PlayStation 3, Xbox 360, Windows
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