Fwd: 09/2022 • Mongolei, Monster und Musik

In unserer industriell geprägten Kultur sind Videospiele längst etabliert, aber wie spielen Menschen in weniger entwickelten Ländern? Und warum gibt es jetzt Musik auf dem Gameboy Advance?


Vorwort

Liebes Publikum,

in der August-Ausgabe von Fwd: geht es unter anderem um Musik. Und das auch gleich zweierlei Arten. Dass Bands ihre Alben wieder auf Vinyl pressen und damit die noch bestehenden Presswerke überlasten, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Auch die Musikkassette erlebt aktuell zumindest ein kleines Revival. Aber die neusten Tracks auf 3,5″-Diskette oder den Gameboy Advance zu bringen, ist schon ein wenig abwegig, oder? Mitnichten! Und wen die Konsolenklänge langweilen, darf beim Karaoke auf der Playstation 2 auch gerne mitmachen.

Ganz anders erleben Menschen Videospiele außerhalb unseres Kulturkreises. Insbesondere in Ländern, in denen Menschen bislang einen weniger guten Zugang zu Technik hatten, ist auch das Verhältnis zu digitalen Spielen ein anderer. Wie das konkret aussehen kann, zeigt Nora Beyer im Gespräch mit ihrem ehemaligen Kollegen aus der Mongolei.

Viel Spaß beim Lesen,
Sven


Wenn Nomaden zocken

Nora Beyer, wasted.de, 07. August 2022

Spiele spielen eine wichtige Rolle in der mongolischen Kultur. Aber eigentlich nicht so die mit Controller und Maus und Tastatur. Sondern eher die mit Knochen. Schagai heißen diese Geschicklichkeitsspiele, die mit Schafknöcheln gespielt werden und die nicht nur jedes Kind dort kennt. […] „Videospiele sind vor allem unter jungen Leuten in den letzten Jahren sehr beliebt geworden. Überall in der Hauptstadt sind Game Center aus dem Boden geschossen.“

Der Konsum von Videospielen hat sich in unserer Kultur längst in den Alltag etabliert. Von Spielhallen, über Wohnzimmer und Büro bis hin zu jedem erdenklichen Ort, an dem sich das Smartphone aus der Hosentasche zücken lässt. Abseits von E-Sports ist das Spielen vorwiegend eine Freizeitbeschäftigung. Wie der Begriff bereits impliziert, setzt Spielen also ein Zeitintervall voraus, das wir nicht zu anderen Zwecken benötigen – meist eine Form der Arbeit, sei es Lohnarbeit oder Sorgearbeit.

Erst, wenn das Obdach und die Nahrung gesichert und alle Angehörigen versorgt sind, können wir uns dem Spielen widmen. Ob es sich um klassisch analoge Spiele oder ein digitales, elektronisches Spiel handelt, hängt von Faktoren wie Einkommen und Infrastruktur ab. Digitale Spiele und deren Plattformen können also durchaus als ein Luxusgut betrachtet werden, auf das in Zukunft hoffentlich immer mehr Menschen Zugriff haben werden, sodass diese Betrachtung nicht mehr korrekt sein wird.


Warum erscheint ausgerechnet jetzt ein Musikalbum auf dem Game Boy Advance?

Johannes Teschner, superlevel.de, 19. August 2022

Die kreative Herausforderung der Musikproduktion wird dabei noch um die Hürden der jeweiligen Formate und Abspielgeräte erweitert. Remute hat schon mit den verschiedensten Konsolen und Formaten herumexperimentiert. Dabei ist die Veröffentlichung auf Platinen und Plastik deutlich aufwendiger, als der Upload bei Plattformen wie Spotify und Bandcamp.

Musik ist für uns ein omnipräsentes Produkt. Wir hören Musik im Radio, im Fernsehen, im Supermarkt und einfach überall dort, wo unsere Smartphones und Kopfhörer verfügbar sind. Dazu ist es noch ein klassisches Nebenbeiprodukt, während wir anderen Tätigkeiten nachgehen. Selbstverständlich gibt es auch das bewusste Musikhören, das aber in den Hintergrund rückt, aber nur einen kleinen Teil ausmachen dürfte und zwischen dem Rauf- und Runterhören des neuen Albums der Lieblingsband oder dem Konzertbesuch rangiert.

Gute Qualität ist praktisch Standard geworden: Selbst Garagenbands können durchaus brauchbare Aufnahmen machen und mit wenigen Klicks weltweit publizieren. Die Veröffentlichung von Musik auf einem Gameboy-Cartridge erfordert aber Abstiche, die ganz bewusst gesetzt werden wollen. Und ebenso bewusst wahrgenommen werden müssen, um die Besonderheit dieses Mediums zu verstehen. Gleichzeitig passt die Handheld-Musik in den scheinbar niemals enden wollenden Retro-Trend, der Gaming- und Musik-Begeisterte eint.


Wie ich Karaoke einst nach Deutschland brachte

Joshua Hampf, wall-jump.com, 17. August 2022

Auf irgendeiner englischsprachigen Internetseite war ich über eine Anzeige zu Karaoke Revolution für die PlayStation 2 gestolpert und ab diesem Moment felsenfest von dem dahinterliegenden Konzept überzeugt.

Dass das mittelmäßige Nachsingen populärer Songs aus mittelpreisiger Bars in die Welt der Videospiele übergehen würde, ist wenig verwunderlich. Was auf einer schlecht ausgeleuchteten Bühne in der Ecke des Clubs funktioniert, lässt sich auch im ähnlich miserabel beleuchteten Wohnzimmer wiederholen. Wer die Stimme zunächst mit alkoholischen Getränken ölen mag, deckt sich bereits vorher mit der nötigen Ration ein.

Voll aufgedreht, kann der musikalische Hochgenuss starten und kann Familie und Nachbarschaft gleichermaßen bespaßen. Ein häufiges Training führt dann entweder zur Entdeckung bislang verborgener Talente oder zum Besuch von Beamten der örtlichen Polizeidienststelle. Viel Glück!


Pokémon-GO-Creator reisen um die Welt, um virtuelle Monster zu fangen

Benedikt Wenck, superlevel.de, 27. August 2022

ZoëTwoDots steht am Meet-and-Greet-Stand und spricht fleißig mit ihren Fans. Sie bekommt Geschenke, macht Selfies, führt kurze Gespräche, während sich noch mehr Leute in die Schlange schmuggeln, obwohl diese eigentlich schon geschlossen ist. Zoë gehört zu den größten Namen in der Szene.

Der große Hype um Pokémon Go ist längst abgeflacht. Das heißt aber nicht, dass das Spiel gänzlich verschwunden ist. Vielmehr hat sich eine kleine, aber sehr loyale Community um den Titel gebildet. Ähnlich wie eine reduzierte Soße, die weniger Volumen, aber mehr Geschmack bietet. Wenig verwunderlich, dass sich innerhalb solcher Communitys auch Menschen hervortun, deren Persönlichkeit in der Gemeinschaft auf Gehör und Anklang stößt. Das mag manchmal überraschend kommen und durchaus lukrativ sein. Aber: Es kann auch jederzeit vorbei sein.


Gutes Game oder Nostalgie? – Torin’s Passage

Denise Schweigert, videospielgeschichten.de, 27. August 2022

Nostalgie ist ein bisschen wie Heimweh – ein sentimentales Gefühl der Sehnsucht nach etwas Vergangenem. Es ist greifbar und vertraut, aber irgendwie weit weg. Mit dieser Sehnsucht einhergehend ist oft eine Verklärung und Idealisierung der Erinnerung. Man schwelgt und sinniert – dabei passieren aber auch oft Rückschaufehler.

Der verklärte Blick auf die Vergangenheit. Früher war alles besser. Oder doch nicht? Damals war der Referenzrahmen ein anderer, schließlich kannten wir ja nichts anderes. Und weil wir nichts anderes kannten, kannten wir das Bekannte bekanntlich besonders gut. Sprachliche Tricksereien außer Acht gelassen, lässt sich daraus ableiten, dass wir dem Bekannten eine gewisse Ruhe und Sicherheit zuweisen. Wir wissen, was passiert und können deswegen entspannen – im Gegensatz zum Abenteuer des Neuen.

Ferner ist die Erinnerung an das Alte und Bekannte stets verknüpft mit weiteren Eindrücken. Freundschaften zerrissen im letzten Pong-Duell ebenso wie auf der Regenbogen-Strecke in Mario Kart und festigten sich ebenso auf der gemeinsamen Reise durch die Welten auf Azeroth. Eine feste Verknüpfung im Gehirn, von der sich nicht leicht abstrahieren lässt. Erst die kalte Konfrontation, Jahre später, erlaubt einen klaren Blick und ebnet den Weg für die Enttäuschung: Das war gar nicht mal so gut.

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