In verschiedenen Rundkursrennen gegen fünf Kontrahenten im nagelneuen Porsche Boxster antreten? Das klingt nach wenig, aber die Praxis sah im Jahr 1997 etwas anders aus.
Einen Sportwagen der Marke Porsche virtuell durch die Pisten jagen ist schon lange möglich, etwa im 1995 erschienenen Rennspiel The Need for Speed. 1996 präsentierte Porsche mit dem Boxster einen sportlichen Roadster, dessen Begriff sich zusammensetzt aus Boxer und Roadster. Die Karosserie soll ein wenig an die wesentlich älteren Modelle wie 550 Spyder oder den 356 Roadster erinnern. Ein schickes, aber definitiv teures Vergnügen.
Es sei denn, man war glücklicher Besitzer der ersten PlayStation und besorgte sich von den Machern von Total NBA ’96 das Spiel Porsche Challenge, welches es ermöglicht, dieses neue Modell des Stuttgarter Sportwagenherstellers auf der Flimmerkiste durch die Kurven brausen zu lassen. Mit Kursen in Stuttgart, den USA, Japan und in den Alpen darf man sich in Form von sechs bis sieben Fahrern eine Schlacht um den ersten Platz liefern.
„Hey, du fährst ja dasselbe wie ich.“
Der Spieler wird mit einem Intro begrüßt, welches mehr die Fahrer als das Highlight des ganzen Spiels, den zu dem Zeitpunkt neuen Porsche Boxster, in den Vordergrund rückt. Im hübschen Hauptmenü mit eleganter Hintergrundbeschallung kann man sich für verschiedene Modi entscheiden: Meisterschaft, Training und Zeitrennen. Im Training lassen sich die Strecken mit bis zu 15 Runden interaktiv mit Gegnern begutachten, im Zeitrennen darf man sich alleine austoben oder optional nach dem Abschluss einer Runde gegen sein Ich aus der Vorrunde antreten.
Zwar gibt es nur vier Gebiete, durch die man fährt, jedoch durchläuft man im Meisterschaftsmodus unterschiedliche Varianten davon. Zu Beginn geht es durch die kürzeren, dann durch die längeren „Plus“-Bereiche und zum Schluss durch beide Bereiche im sogenannten „interaktiven Modus“. Während der Fahrt geht es abwechselnd mal durch den kürzeren, mal durch den längeren Abschnitt. Bei letzterem warten auf den Spieler allerdings einige Hindernisse. Dazwischen kann das Spiel gespeichert werden.
Nach den zwölf Rennen bietet das Spiel an, in der Meisterschaft im Spiegelmodus anzutreten. Im Prinzip durchläuft man die gleichen Strecken, allerdings mit dem Unterschied, dass alles spiegelverkehrt ist. Nicht etwa nur die Strecke, sondern wortwörtlich alles. Die Fahrer sitzen dann rechts statt links (und umgekehrt), die Deko am Straßenrand hat Spiegelschrift, genauso auch die Kennzeichen der jeweiligen Porsche-Fahrzeuge.
Jetzt geht‘s rund
Alle Rennen beginnen immer mit einem rollenden Start. Hat sich der Spieler für einen der Fahrer entschieden, die unterschiedliche Farben und Kennzeichen besitzen, fährt dieser zunächst langsam neben einen der Gegner und schmeißt demjenigen den immer gleichen Spruch an den Kopf. Beim Überqueren der Startlinie geht das Spiel los. Während einer der Gegner sich zu Beginn neben dem Spieler aufhält, sind die anderen irgendwo auf der Strecke verteilt. Das Spiel zeigt keinerlei Gnade bei den Gewinnvoraussetzungen, der erste Platz ist absolute Pflicht für das Weiterkommen. Nur ein Platz dahinter und man endet in mehr oder weniger neuen Versuchen; diese sind zudem noch limitiert.
Es ist gar nicht so schwer, die restlichen Gegner zu überholen, sofern man auf der Strecke dank der vernünftigen Fahrphysik keine Fehler baut. Offenbar wollte Porsche kein Schadensmodell haben, denn das Fahrzeug kann so oft in irgendeine Ecke krachen, ohne dass es Kratzer oder Dellen hinterlässt. Ebenso wenig gibt es technische Defekte. Das könnte aber auch von Vorteil sein, denn ausgerechnet der Gegner, der zu Beginn des Rennens neben dem Spieler fährt, ist die ganze Zeit der hartnäckigste von allen. Dieser kommt gerne unerwartet und teilweise unrealistisch schnell heran. Gruselig.
Mein Haus, mein Auto, mein…Boxster
Im Laufe des Spiels fällt auf, dass der Spieler ab einem gewissen Zeitpunkt nicht neben einem dokumentierten Fahrer fährt, sondern neben einem mysteriösen Testfahrer, der mit Helm unterwegs ist und kein Wort sagt. Ansonsten ist die jeweilige Figur, die man ausgewählt hat, nach einigen Rammern ein wenig am Meckern. Laut mehrsprachiger Anleitung gibt es Beziehungen zwischen den Charakteren, die im Spiel allerdings wenig ersichtlich sind.
Drei Schwierigkeitsgrade hat Porsche Challenge zu bieten: leicht, normal und tückisch. Auf den ersten Blick ergibt sich der Unterschied nur bei der Checkpoint-Zeit, die mit jedem höheren Schwierigkeitsgrad knapper wird. Erst auf den zweiten Blick macht sich eine leicht stärkere KI bemerkbar. Zumindest ist das Spiel dennoch gütig, da es ein komplettes Durchspielen im niedrigsten Schwierigkeitsgrad erlaubt.
In den Alpen durchquert man eine Schneelandschaft. Da ist die Frage durchaus berechtigt, was ein Roadster ohne Verdeck da zu suchen hat. Aber egal, ob man auf einer eisigen oder einer trockenen Fahrbahn fährt, wirkliche Unterschiede beim Grip lassen sich nicht feststellen. Sobald man von der Fahrbahn abkommt, wird das eigene Gefährt logischerweise langsamer. Auf der USA-Strecke kann es zudem vorkommen, dass die KI-Piloten fröhlich in die frei rumfahrenden Straßenbahnen krachen.
Der Bursche im Porsche
Grafisch kann Porsche Challenge in der heutigen Zeit absolut keine Bäume herausreißen, das sah zum Veröffentlichungszeitpunkt im Frühling 1997 noch ganz anders aus. Die Fahrzeugdetails sind gut gelungen, die Fahrer bewegen sich erstaunlich realistisch in ihren Fahrersitzen und die Lichteffekte machen einiges her. Einige animierte Objekte wie sich schließende Schranken bilden dabei das i-Tüpfelchen. Die Musik ist überaus angenehm zu hören. Schlusslicht sind wiederum die Soundeffekte, die zwar nicht schlecht klingen, es in dem Genre aber schon deutlich bessere gab.
Man könnte sich darüber echauffieren, dass es nur ein einziges Fahrzeug im gesamten Spiel gibt. Dafür bieten sie alle die gleichen Spezifikationen und damit auch die gleichen Fahrleistungen. Dabei steht fahrerisches Können an oberster Stelle, weshalb das Spiel nicht unbedingt für Anfänger geeignet ist. Einzig das freischaltbare Modell des Testpiloten verfügt über leicht modifizierte Werte, die sich allerdings stärker bemerkbar machen, wenn man diesen selber durch die virtuellen Pisten bewegt.
Hin und wieder begegnen einem in der deutschen Version leichte Ungereimtheiten bei den Texten, etwa werden bei den Platzierungen die englischen Abkürzungen verwendet. Die Framerate blieb beim Test stabil, selbst wenn sie – typisch für die meisten PlayStation-Titel – nicht so hoch ausfällt wie bei einem PC-Titel, den man auf einem entsprechend dimensionierten Computer ausführen würde. Die Ladezeiten hielten sich in Grenzen. Da das Spiel vor dem Erscheinen des DualShock-Controllers auf den Markt kam, konnte keine Analog-Steuerung für die Lenkung verwendet werden.
Ordentlich durchgeboxt
Eine Partie mit dem (damals) brandneuen Porsche Boxster ist in Porsche Challenge wahrlich eine Herausforderung. Hinter der klein vorkommenden Fassade der schicken Präsentation steckt doch etwas mehr Spiel drin als man denkt. Die KI ist für meinen Geschmack etwas stark ausgefallen, um das Spiel auch für Anfänger attraktiv zu machen. So erfreuen sich allerdings erfahrene Rennspieler an den abwechslungsreichen Varianten der vier Gebiete, die man mit dem Roadster aus Stuttgart umkreisen kann. Drückt man bei den kleineren Schwächen ein Auge zu, steht dem Fahrerlebnis nichts im Wege…es sei denn, der interaktive Modus ist an der Reihe.
Daten zum Spiel
Titel: | Porsche Challenge |
Erscheinungsdatum: | April 1997 |
Entwickler: | SCEE Internal Development Team (heute Team Soho) |
Publisher: | Sony Computer Entertainment Europe |
System | PlayStation |