Fwd: 01/2022 • Soziale Medien und der Mittelpunkt des Seins

Die Mitte der 2000er Jahre war eine andere Zeit. Statt als Datenkraken nahmen wir soziale Medien nur als digitale Treffpunkte wahr. Aber auch für Eltern war manchmal der Zutritt verboten.


Vorwort

Müssen wir immer im Mittelpunkt stehen? Nein. Die Erde ist nicht der Mittelpunkt des Sonnensystems oder gar des Universums. Wie weit die Erde davon entfernt ist, ist eine Frage für die Astrophysik. Aber Spiele machen es uns sehr leicht, diesen Drang auszuleben, den wir sonst alltäglich mehr oder weniger erfolgreich unterdrücken. Gleichwohl können wir in unserer eigenen Vergangenheit schwelgen und unsere eigenen Erfahrungen mitbringen, die aus einer Zeit stammen, als noch nicht hinter jeder Website (diese bewusst nicht ausgenommen) ein gieriger Datenkrake steckt, die mit personalisierter Werbung und ganz legalen Steuertricks (zwinker) zu einem multimilliarden schweren Konglomerat wurden.


Liebe Spiele, lasst mich endlich weniger wichtig sein!

Christian Schiffer, wasted.de, 23. Dezember 2021

Und trotzdem möchte ich mal die Frage stellen: Ey, geht’s vielleicht auch mal eine Nummer kleiner? Ich weiß ja nicht, wie es Euch da draußen geht, aber ich muss keine Ostfront stabilisieren, um einen guten Tag zu haben. Auch andere Medien haben Hauptfiguren und die geben sich mit sehr viel weniger zufrieden.

In der realen Welt sind wir nur selten bereit, uns mit dem abzufinden, was wir haben. Wir tun uns schwer, mit dem Mittelmaß zufrieden zu sein. In unserer Vorstellung dreht sich alles nur um uns. Und diese Vorstellung enttäuscht uns jeden Tag. Virtuell haben wir zwei Optionen: Wir akzeptieren unsere Unwichtigkeit und unterdrücken den Drang, im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. Wir resignieren. Alternativ können wir mit einer Hand auf dem Rücken die Weltherrschaft übernehmen und unser egozentrisches Verhalten so richtig raushängen lassen, das wir ansonsten hinter einer billigen Fassade verstecken müssen. Entscheide selbst!


Weihnachten auf dem Mars

Sven, wall-jump.com, 01. Dezember 2021

Doom 3 dagegen ist ein Weihnachtsvideospiel. Warum? Weil ich es jedes Jahr an Weihnachten installiere. Ich schreibe diesen Text am 01.12.2021 und habe es tatsächlich gerade eben im Hintergrund installiert. Das sind die Blicke hinter die Kulissen, die man normalerweise nur von einer Patreon-Kampagne erwartet. Aber bei mir gibt es so etwas komplett umsonst.

Früher war mehr Lametta! Es ist gleichermaßen legitim, sich auf Weihnachtstraditionen zu freuen oder diese vehement abzulehnen. Würstchen mit Kartoffelsalat? Wie öde. Und wenn schon, dann bitte vegan. Braten? Gans? Muss das sein? Und dann auch noch eine Fichte aus dem Wald schlagen, die bislang niemandem etwas getan hat, außer den ansässigen Arten Nahrung und Obdach zu bieten? Alles blöd. Und dann auch noch elendige Geschenke von Verwandten bekommen, von deren Anwesenheit man sich gerade erst erholt hatte. Aber die neue Krawatte ist super. Die behalt ich gleich an. Und die Socken passen perfekt zu den neuen Platzdeckchen. Ganz ehrlich, vergiss die Feiertage und spiel Doom 3. Sofort.


Warum die Netflix-Serie „Arcane“ den Gaming-Diskurs bereichert

Alice Wilczynski, wasted.de, 03. Dezember 2021

Fröhlich vor mich hin gammelnd fragte ich mich: Wird der Trend von Videospielverfilmungen unser Verständnis von Gaming nachhaltig prägen? Ziemlich lange gab es einfach keine gelungenen Verfilmungen. Jeder klägliche Versuch scheiterte daran, dass die Elemente aus dem Spiel nicht sinnvoll auf die Leinwand übertragen werden konnten. Auch wenn Super Mario Bros. 1993 für mich einen gewissen nostalgischen Charme besitzt.

Mittelmäßig schlechte Videospielfilme gibt es zuhauf. Nicht einmal nur zwangsläufig von Uwe Boll. Für die Menschen aus der Gaming-Szene sind sie oft und ein Graus und werden gar nicht erst ernst genommen. Für Menschen, die mit Videospielen nicht vertraut sind, können sie allerdings der Einstieg über ein ihnen bekanntes Medium sein. Und manchmal sind die Filme auch gar nicht mal so schlecht.


Repräsentation kann mehr sein als Heldinnen, die Zombies töten

Daniel Ziegener, superlevel.de, 14. Dezember 2021

„Representation matters.“ Dieser Satz taucht immer wieder auf, wenn es um die Vielfalt der Figuren in Serien, Büchern und Videospielen geht. Repräsentation bedeutet, dass fiktive Held*innen die tatsächliche Gesellschaft widerspiegeln. Doch auch im Jahr 2021 tun sie das nur bedingt. Der Anteil spielbarer Frauen lag laut einer Zählung von Feminist Frequency 2020 bei 23 Prozent in neu angekündigten Titeln, wobei der Rest vor allem eine Wahl des Geschlechts erlaubt.

Repräsentation muss, nein, Repräsentation darf sich nicht nur auf die Darstellung von weiblichen Charakteren beschränken. Einerseits, weil es Menschen mit einer anderen Identifikation ausschließt und zum anderen, weil Repräsentation nicht nur im fertigen Produkt dargestellt werden darf. Sie muss auch bei der Produktion mitgedacht und umgesetzt werden. Ihr wollt eine Personengruppe darstellen? Gerne doch, aber dann bezieht sie auch ein!


Blogvorstellung: QUICK-SAVE

André Eymann, videospielgeschichten.de, 18. Dezember 2021

Seit 2017 betreiben Sven Festag und Kevin Puschak QUICK-SAVE gemeinsam und man merkt es ihren Texten an: hier wird viel Herzblut investiert! Das Schreiben ist den beiden ein Anliegen und hier geht es nicht um „News“ oder „kurze Anreisser”. Die Beiträge sind mit viel Sorgfalt und Liebe geschrieben, gehen in die Tiefe. Mich persönlich freut so etwas immer sehr, denn in Tagen wie diesen scheinen Webseiten wie QUICK-SAVE schon fast anachronistisch, weil sie der schnelllebigen Social Media Welt im Grundsatz entgegenstehen.

Eigenwerbung stinkt. Nichtsdestotrotz möchte ich mich auf diesem Weg noch einmal für das angenehme Interview und die spannenden Fragen bedanken, die mich zum Nachdenken angeregt haben. Es ist ein Schwelgen in Erinnerungen, die weiter in der Vergangenheit liegen, als ich es zugeben mag. Und es ist ein Blick in eine ungewisse Zukunft.


Soziale Medien, Chats und Foren als Spielkulisse: Emily is Away und Secret Little Haven

Pascal Graßhoff, spielkritik.com, 05. Dezember 2021

Zum Ende der 2000er war Facebook noch immer ein Reich für sich. Für Jugendliche und junge Erwachsene im deutschsprachigen Raum war es der gefühlte Nachfolger der Plattformen SchülerVZ und StudiVZ. Ein abgeschotteter digitaler Bereich, in dem Erwachsene praktisch nicht existierten. So konnten User ihre Fotos von geheimen Hauspartys noch öffentlich posten, ohne dass die Eltern mit Fake-Accounts eine Push-Mitteilung dafür bekamen.

Schon bei dem Begriff SchülerVZ kommen gleich die Erinnerungen an die grell pinke Oberfläche zurück. Der Zugang war fast so exklusiv wie bei Clubhouse und nur mit einer Einladung möglich. Eltern mussten draußen bleiben. Das gab den Kindern die Freiheit im Netz und verursachte Sorgenfalten in den Gesichtern der Erziehungsberechtigten. Wirklich hinter verschlossenen Türen war das natürlich nicht. Erwachsene konnten irgendwie immer mitlesen. Angestellte der Plattform ebenso wie Eltern, die sich Zugriff auf den Account ihres Nachwuchses verschafften. Gleichwohl war es eine unbeschwerte Zeit im WWW, die wir so wohl nie wieder erleben werden. Außer im Videospiel.

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