Ich sammle wahnsinnig gerne Videospiele, am liebsten für den PC. Bei inzwischen über 700 Retail-Titeln im Regal ist komme ich kaum noch zum Spielen. Meine Erlebnisse bei der Sammelei.
In unserer Familie gehörten Videospiele immer dazu. In meiner Kindheit hat mich die Faszination insbesondere für PC-Spiele direkt mitgenommen und ich wollte das ein oder andere Spiel schon einmal (mit)spielen. Zwar standen uns auch Konsolen wie das SEGA Master System oder der Nintendo Game Boy zur Verfügung, aber hauptsächlich bin ich dem PC treu geblieben. Im jungen Alter musste ich selbstverständlich auf die Spielesammlung meines Vaters zurückgreifen, der mir manchmal Dauerleihgaben in Form von privaten Sicherheitskopien übergeben hat. Dank fehlendem Kopierschutz in der damaligen Zeit kein Problem.
Damals ging es eher nach dem Motto: Hauptsache ein Computerspiel. Zusammenstellungen mit zweistelligen Mengen an Software waren für meinen Vater der erste Anlaufpunkt für die Befriedigung des Bedarfs. Die Qualität der programmierten Unterhaltung durfte dabei gerne variieren. Von völligem Schrott bis zum zeitlosen Klassiker. Von Autobahn Total bis Age of Empires, da war das Genre relativ egal. Insbesondere durch den oft monatlichen Kauf der damaligen Multiplattform-Spielezeitschrift Computer Bild Spiele, die mit der Ausgabe 9/2019 eingestellt wurde, wuchs das Portfolio an Spielmaterial ordentlich an. Doch das Sammlerherz wird bluten, wenn ich sage: Das Verpackungsmaterial haben wir in 99 Prozent der Fälle entsorgt.
Ja, Verpackungen nehmen unfassbar viel Platz weg. Und ja, wenn man nur aufs Spiel aus ist, ist es sinnvoll, das nötigste zu behalten. Es gab Momente im Hotel Mama, in denen es hieß: „So, wir sortieren jetzt mal CDs aus“. Da musste man schon ordentlich nachdenken, welches Spiel eventuell noch spielenswert ist. Inzwischen sind viele Lernspiele aus der Sammlung verschwunden, die ich als zu kindisch empfunden habe. Dumm nur, dass ich einige wiederfinden möchte und den Namen ebendieser vergessen habe. Und dann kam plötzlich diese kurze und eigenartige Phase der Abwendung gegenüber Spielen. Sämtliche gesammelten Werke gingen an den Cousin, den PC sollte ein Kumpel bekommen. Eigentlich.
It‘s gaming again…


Gewisse Ausflüge ins Tal der nicht ganz legal hochgeladenen Sicherheitskopien anderer Internetnutzer – gemäß dem Motto „Ich war jung und brauchte das Geld“ – beließen es bei einer spärlichen Retail-Sammlung an kostbaren Bits für die Festplatte. Dank einer Ausbildung bei einer Berufsfachschule in Leipzig blieb es ohnehin nur bei gelegentlichen Partien. Und die Entdeckung virtueller Maschinen war für mich insofern ein Segen, dass ich meine heißgeliebten alten Titel eingeschränkt wieder ausführen konnte und der Inkompatibilität sicherer Systeme genüsslich trotzen konnte. Und dann gab es da noch die Überraschung, dass ich seit einigen Jahren schon einen Steam-Account besaß, diesen aber nie aktiviert habe ‒ die Gelegenheit, mit dem Horrortitel Home mein erstes digital erworbenes Spiel zu ergattern. Aber auch nur, um Freunde hinzufügen zu können.
So ein Spiel zum Anfassen wäre aber auch wieder etwas Feines. Eine Hülle mit bunten Bildchen, einer schicken, gedruckten Anleitung und der runden Scheibe mit dem interaktiven Spaß darauf. Da war es vorerst egal, in welcher Variante das Spiel zu existieren hatte, es musste nicht einmal zwingend in einer Hülle sein. Nach und nach wuchs meine eigene Sammlung wieder stark an. Doch das sollte sich nicht unbedingt darauf beschränken. Dadurch, dass es mir sehr nach Spielen der vergangenen Jahrzehnte gelüstete, habe ich erst so richtig realisiert, in welcher Art die PC-Spiele damals vertrieben wurden: in großen Pappschachteln. Am 11. März 2013 trudelte in meinen vier Wänden (die streng genommen nur mein WG-Zimmer waren) das erste Big-Box-Spiel ein: das Lernspiel Big Job: Große Aufgaben aus dem Jahr 1995. Eine Kindheitserinnerung, gekauft für sieben Euro in einem eBay-Shop. Ich kann mich leider gar nicht mehr dran erinnern, dieses Spiel jemals wieder irgendwo im Internet gesehen zu haben, aber diese Box ist bis heute in der Sammlung geblieben.
Bis 2014 hielten sich meine Käufe von Big-Box-Spielen noch in Grenzen, doch das sollte sich danach schlagartig ändern. Sowohl eBay als auch eBay Kleinanzeigen haben sich als Quelle für die überwiegend aus den 90ern stammenden Spiele in den großen Kartons etabliert. Nach und nach wurde mit jeweils kleinen Beiträgen das Regal mit Klassikern wie Tomb Raider, Dungeon Keeper, Test Drive, oder Need for Speed gefüllt. Das ging so weit, dass ich am 13. Juni 2014 über 73 Spieletitel in der damals üblichen Eurobox verfügte, ein enormer Anstieg. Hilfreich war dabei noch der An- und Verkaufsladen Retro Games in Leipzig, der mir eine lokale Möglichkeit für die Vernichtung des Platzes im Regal gab.
Organisation ist alles

Schon früh hatte ich das Bedürfnis gepflegt, einige schlechter aussehende Exemplare aus der Sammlung gegen hübschere auszutauschen, um die schlechteren wiederum – mehr oder weniger gewinnbringend – verkaufen zu können. Umso erfreulicher war es dann, bestehende Exemplare mit Sachen zu erweitern, die eigentlich zum Lieferumfang gehören. Wenn etwa die Registrierkarte fehlte, wurde das unverzüglich in die schon nicht mehr existierende MySQL-Tabelle mit den ganzen Spielen eingetragen. Die Registrierkarte ist übrigens bis heute das Teil, welches bei den meisten meiner Exemplare fehlt. Gerne fehlten auch Flyer, Kataloge, eventuell sogar die eigentlich wichtige Referenzkarte. Worst Cases sind fehlende Datenträger oder ein fehlendes Handbuch.
Worauf ich besonders achte: Erstausgaben. Nichts ist spannender als die Version eines Videospiels zu haben, welche man unmittelbar nach Veröffentlichung im Handel erwerben konnte. Ohne Spielewertungen auf dem Cover, ohne Hinweise auf eine neue Version und mit komplettem Inhalt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, auf ein ungepatchtes Spiel mit allerlei Macken zu treffen, doch es ist gerade für mich, der einige Spieletitel aus den 90er Jahren verpasst hat, spannend zu sehen, welche Bugs dieses Werk vielleicht unspielbar gemacht haben könnte. Selbst Verkaufsportale im Internet geben mir recht, dass Erstausgaben durchaus begehrter sind.
Aber so begehrt diese alten Spiele auch sein mögen, sie möchten auch bezahlt werden. Gerne auch mit wahnsinnig hohen Summen. Als grobe Richtlinie hat sich bei mir im Laufe der Zeit eine Obergrenze von 30 Euro für ein Spiel etabliert. Ganz selten wurde diese Ausnahme gebrochen, aber für die meisten Titel meiner Sammlung habe ich bisher nicht mehr als 30 Euro ausgegeben. Dieses Limit versperrt mir zwar den Zugang zu sehr wertvollen Titeln wie DOOM, aber das ist meinem limitierten Vermögen geschuldet. Was nützt es mir, wenn ich meinen Lebensunterhalt nicht vollständig begleichen kann, dafür aber ein fantastisch erhaltenes Exemplar von DOOM im Regal thront? Eben. Es ist immer ein gutes Gefühl, wenn man für einen humanen Preis ein Spiel ergattert hat, welches sowohl angesehen als auch ziemlich selten bzw. schwer im Internet auffindbar sein kann.
Umzug, Ebbe und Keep Cases

Eine große Spielesammlung und dann steht auch noch ein Umzug an. Das könnte zum Horror werden, wenn man seine Spiele nicht vernünftig verpackt. Gerade einteilige Euroboxen könnten ganz schnell Opfer übergewichtiger und vollgepackter zweiteiliger Boxen werden. Wie oft ich schon platzmäßig an meine Grenzen gestoßen bin, aber immer noch einen Kompromiss finden konnte. Zu allen Übeln wollte ich mich noch für die völlige Vernachlässigung der Art von Spielen bestrafen, die zu Beginn des neuen Jahrtausends üblich wurden: die Keep Cases, gerne auch DVD-Hülle genannt. Langweiliger Stil, dank Plastikhülle nicht unbedingt mit Umweltgedanken hergestellt, aber immerhin in überwiegend einheitlicher Größe und doch viel robuster als die Pappschachteln. Man darf nicht vergessen, dass es auch zu Zeiten von Keep Cases tolle Titel zum Sammeln gibt.
Die Zeiten, in denen es wöchentlich schon einmal fast zwei Dutzend Neuankömmlinge geben konnte, sind längst vorbei. Am Finanziellen mangelt es erst recht nicht, ganz im Gegenteil. Es ist mehr oder weniger die Vernunft, die in mir gesiegt hat. Vorbei sind die Zeiten, in denen ich teils wahllos dieses und jenes Spiel holen musste, nur damit ich etwas für die Sammlung hatte. Es stimmt zwar, dass ich nach wie vor ein Augenmerk auf interessant aussehende Titel habe. Und es weiterhin bestimmte Sachen gibt, die noch auf meiner Most-Wanted-Liste stehen und nur darauf warten, von mir gekauft zu werden. Doch die Tatsache, dass ich schon vieles habe, verursacht eine Ebbe in meiner Statistik. Eine Ebbe, die mich allerdings nicht unglücklich macht. Denn obwohl die Anzahl der neuen Käufe abebbt, bleiben die Titel in meiner Sammlung. Und immer wieder ergeben sich neue Gelegenheiten, das eigene Bankkonto zu quälen.
Ich wünschte, ich könnte an mich selber appellieren, diese Ebbe der Sammelwut auszunutzen. Klassisch gesehen sollte ein Sammler seine Prachtexemplare auf ewig in unfassbar fragile Vitrinen setzen, um sie auf gar keinen Fall mehr anfassen zu müssen. Ich hingegen möchte meine Sammlung nutzen. Also spielen. An der Technik scheitert es keineswegs. Meine Vorliebe, 90er-Spiele auf 90er-Technik zu spielen, ist weiterhin gegeben und hat mich zum allergrößten Teil nicht im Stich gelassen. Und sollten sowohl die Speichermedien als auch die Technik am Zahn der Zeit nagen, bleiben mir immer noch Backups und virtuelle Maschinen zur Verfügung. Selbst wenn dies eine Hürde darstellt, die erst überwunden werden muss, denn bei virtuellen Rechner fehlt doch irgendwo ein Stück Authentizität. Aber wer weiß, ob es doch am Satz „Ich habe nichts zum Spielen da.“ liegt.
Dinge, die ich mit meinen eigenen Fingern berühren kann, sind für mich immer noch etwas, was das Digitale nicht ersetzen kann. Eine Packung aus dem Regal holen, auf der Rückseite die bunten Screenshots ansehen, das Handbuch auspacken und darin lesen, die CD ins Laufwerk einlegen und das Spiel nur mit der Voraussetzung eines Betriebssystems und jeweiliger Hardware installieren ‒ das alles sind komfortabel klingende Eigenschaften. Klar, bei digitalen Distributionen kann man seine Spiele von überall aus installieren. Aber einmal aktiviert klebt einem das Spiel an der Backe. Das macht den Gebrauchtmarkt von pseudo-physischen Titeln unattraktiv. Glänzen mit einer Packung und kommen dann mit einer Zwangsaktivierung.
Komm‘ schnapp sie dir!

Wer bei dieser Überschrift an die beliebte Anime-Serie Pokémon dachte, dachte in die richtige Richtung. Angenommen, es gäbe eine Reihe von Spielen, aus der genau eines existiert, welches noch nicht zur Sammlung gehört und auch noch besonders schwer zu finden ist. Die Suche ist ein langwieriger Prozess, jedes Mal müssen Hürden überwunden werden und dann kommt der eine Tag, an dem sich eine äußerst günstige Gelegenheit ergibt. Dann schnappt man zu und die Reihe ist komplett.
In meiner Sammlung existieren Reihen, die ich unbedingt vervollständigen wollte. Wie lange ich darauf gehofft habe, etwa die Bleifuss-Reihe komplett zu haben. Die große Überraschung, mit Bleifuss Offroad ausgerechnet einen schwer zu findenden Teil relativ einfach ergattert zu haben, war da schon eine Freude. Letzten Endes war es Bleifuss Fun, der mir Kopfzerbrechen verursachte und einfach nicht auftauchen wollte. In jeder Spielereihe befinden sich schwarze Schafe, die sich aus ominösen Gründen verstecken. Bei Diablo ist es der erste Teil, bei Autobahn Raser die letzten zwei Teile, es gibt zahlreiche Beispiele. Umso glücklicher bin ich dann, wenn für die seltenen Spiele für kleines Geld zu haben sind.
Für eine Suche lohnt es sich, alle Geschütze auszufahren. Gespeicherte Suchen bei eBay, Suchanfragen bei eBay Kleinanzeigen, Flohmarktbesuche, An- und Verkaufsläden, Gruppen in Social-Media-Seiten, sogar Ausflüge bei Amazon, Rebuy oder Medimops lohnen sich, auch wenn man da Gefahr läuft, eher die Katze im Sack zu kaufen. Das Hobby „Sammeln von Videospielen“ lohnt sich, es ist vor allen Dingen gar nicht so teuer wie man denkt. Vorausgesetzt man schlägt nicht bei jeden x-beliebigen Angebot zu, bei dem man denken könnte, etwa bei einem Billigsimulator von 2003 für 70 Euro den Ultra-Schnapper gemacht zu haben.
Jedes Mal, wenn ich mir Konsolen angeschafft habe, kommt in mir das Grauen, selbst für diese Systeme Spiele beschaffen zu müssen. Diese hatten schon früher das Talent, durchaus platzsparend zu sein, aber selbst diese werden langsam heiß begehrt und sehr wertvoll. Es kann nicht schaden, neben großen PC-Spieleboxen Packungen für Systeme von SEGA, Nintendo & Co zu sehen. Für ihre Einheitlichkeit muss man sie loben, doch sollte es einem Spiel verboten sein, verspielt zu sein? Alleine der Fluch der unterschiedlichen Packungsgrößen vergangener PC-Spiele war es jedenfalls.
Game over? Nö.
Ich komme immer wieder in Gelegenheiten, Spiele zu spielen. Ab 2012 tat ich dies in Form von kommentierten Spielevideos auf YouTube, auch Let‘s Play genannt. Diese mache ich aus zeitlichen Gründen schon nicht mehr ‒ zumal das Format seinen Zenit überschritten hat, aber seit ich 2017 mehr und mehr das Schreiben von Artikeln für mich entdeckt habe, gibt es da weiterhin den kleinen Zwang, das ein oder andere Spiel zu einem passenden Jubiläum oder einfach nur so (möglichst) durchzuspielen. Es ist spannend, die Spiele aus der Sicht eines Testers zu sehen. Und gerade bei älteren Spielen ist der zeitliche Aspekt interessant. Irgendwann kommt der Moment, in ich voller Stolz zu einem Spiel den Satz eines typischen Spieleredakteurs aussprechen kann: „Das habe ich getestet“.
Udo
Beruhigend zu wissen, daß ich nicht der Einzige war, bei dem die Bix Boxes durch die elterliche Ordnungswut auch mal den Weg ins Altpapier fanden…argh. Na gut, die Dinger sind ja wirklich recht groß. Und über sowas wie Sammelei hat sich damals kaum einer Gedanken gemacht.
Nun ja, zumindest die wichtigsten Titel hab ich mir größtenteils über ebay wiedergeholt, wie z.B. Warcraft II mit dem Notizblock, der bei meinem Originalexemplar natürlich nicht überdauerte, bei ebay-Exemplar schon. Paar andere sind freilich auch durch Eigenverschulden in einem, ähm, nicht mehr so sammelbaren Zustand. Von Dark Project blieb nur eine arg zerkratzte CD in einem angeknackten Jewel Case…auch das konnte ich wieder erwerben.
Als Kind ist es einem vielleicht noch nicht so wichtig, ob der Karton nun eingedellt ist, das Booklet ordnungsgemäß drinsteckt oder sowas…
Aber kann halt passieren und Handbücher sind heute gut geschützt vor Stiften 😎