Auch mit 88 Jahren ist es gewiss nicht zu spät in die Welt der Videospiele einzusteigen, etwa in die Welt von Skyrim. Nicht weniger anspruchsvoll ist der Indie-Titel Dorfromantik.
Vorwort
Die Spielebranche besteht nicht nur aus der Entwicklung und dem Konsum der Videospiele, auch wenn es auf den ersten Blick so wirken mag. Dahinter verbergen sich vielschichtige Erlebnisse und Wahrnehmungen. Nicht immer werden diese wohlwollend kommuniziert. Es wäre euphemistisch, den Tonfall der Gaming-Community vielerorts als „rau“ zu bezeichnen ‒ ihr Verhalten ist toxisch und das hat Konsequenzen. Für alle Beteiligten.
Drucksachen
Wie innerer Druck Spieleentwickler sabotiert
Dom Schott, GameStar 04/2021, 17. März 2021
Das Gefühl, an sich selbst hone Ansprüche zu stellen und sich damit zu ungesunden Arbeitsleistungen hinreißen zu lassen, kennen ohne Zweifel viele Menschen aus ganz unterschiedlichen Berufsfeldern. Doch die Spielebranche birgt einige Risikofaktoren, die den Aufbau des inneren Drucks begünstigen […].
Die Spieleentwicklung ist eine kreative Arbeit. Jeder Mensch, der kreative Arbeiten leistet, steckt ein Abbild der eigenen Persönlichkeit in diese Werke ‒ und baut so eine emotionale Bindung dazu auf. Gleichzeitig ist die Gaming-Community, insbesondere in Zeiten des Internets und sozialer Medien, ein Nährboden für toxische Kommentare, wenn kreative Werke nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen. Gleichzeitig fehlt durch diese emotionale Bindung von Schaffenden und Werk aber auch die nötige Distanz zwischen Arbeit und Privatem.
Hyperlinks
Stories in Videospielen? Ein alter Hut!
André Eymann, videospielgeschichten.de, 27. März 2021
Mein kindliches Ich hat in diesem Spiel ein Abenteuer, ja eine Geschichte erlebt, wie ich es nie zuvor bei Brettspielen oder beim Fernsehen wahrgenommen habe. Ich habe in der Spielwelt ‚existiert‘ und fand sie spannend, gefährlich und aufregend. Es hat mich berührt und ich habe sogar davon geträumt. Das aus heutiger Sicht ‚minimale‘ oder ‚lineare‘ Spielprinzip stand mir dabei nicht im Wege. Meine Fantasie hat die Welt für mich lebendig gestaltet.
Eine Geschichte kann nicht nur explizit, sondern auch implizit dargestellt werden. Das hat Auswirkungen auf das Erlebnis. Ist die Story eines Spiels eher implizit und lässt so einen größeren kreativen Freiraum zur Interpretation. So entstehen aus einem Spiel potenziell viele unterschiedliche Geschichten. Gleichzeitig besteht aber auch die Gefahr, dass das aber nicht gelingt oder sich in eine ungewollte Richtung entwickelt. Letztlich orientieren sich die großen Studios an der neusten Marktanalyse.
Der 88-Jährige, der einen Aushang machte, um beim Videospielen weiterzukommen
Matthias Kreienbrink, spiegel.de, 31. März 2021
‚Am Anfang fehlt es mir, gesagt zu bekommen, was ich machen muss‘, erzählt Klaus-Jürgen Langner über seinen Einstieg in ‚The Elder Scrolls V: Skyrim‘, eines der populärsten Videospiele der 2010er-Jahre. Anzeige Langner sitzt vor seinem Häuschen in Berlin-Spandau, das er mit seiner Frau bewohnt, er trinkt Traubenschorle. ‚Ich wollte losspielen und habe schnell gemerkt: So einfach ist das nicht‘, sagt der 88-Jährige. Darum habe er sich Hilfe gesucht, 100 Plakate ausgedruckt und die in seiner Umgebung verteilt.
Der Markt ist von sich aus nicht inklusiv. Ältere Menschen zählen nicht zur Zielgruppe. Spiele werden nicht für sie entwickelt. Dabei sind es gerade diese Menschen, die Abwechselung und Unterhaltung benötigen. Natürlich gibt es da auch andere Medien, aber warum sollten nicht auch Personen im Rentenalter an den virtuellen Welten teilhaben können. Selbstverständlich gibt es für diese Gruppe andere Herausforderungen. Schriften müssen gut lesbar sein, Töne und Geräusche müssen klar wahrgenommen werden können und auch die Reaktionszeit und Beweglichkeit der Finger sind nicht auf dem Niveau jüngerer Menschen. Die verbreiteten Spiele sind für diese Personen aus unterschiedlichen Gründen nicht zwangsläufig geeignet.
‚Ziemlich fortschrittlich – nur illegal‘
Danny Kringiel, spiegel.de, 11. März 2021
Spielkopien wurden per Post auf Disketten getauscht oder per Modem und Telefonleitung verschickt. Es gab auch das sogenannte Sneaker-Net – Teenager zogen ihre Turnschuhe an, um zum Haus eines Freundes zu ziehen und raubkopierte Spiele zu tauschen. […] Ob Computerspiele unter das Urheberrecht fallen, war damals umstritten und von Land zu Land unterschiedlich. Darum feierten Cracker ihre ‚Copy-Partys‘ vorzugsweise dort, wo das Urheberrecht noch keine Software umfasste.
Um die Spiele selbst ging es eigentlich nicht. Denn die hatten die Cracker-Gruppen ja bereits gekauft, um überhaupt loslegen zu können. Vielmehr war es ein Wettbewerb: Welche Gruppe knackt den Kopierschutz zuerst? Und mit welche Methode klappt das am besten, sodass das Spiel hinterher stabil läuft. Es ging darum, sich und das eigene Können zu beweisen. Videospiele waren nur eine willkommene Nische für diesen Zweck und boten, auch wegen ihrer demografischen Struktur, eine gute Zielgruppe für vergünstigte Unterhaltungsmedien.
Dorfromantik: Entspannendes Aufbauen mit Suchtfaktor
Jessica Kathmann, spielkritik.com, 25. März 2021
Plötzlich will da ein Wald mit 600 Bäumen gepflanzt werden oder ein Dorf mit über 80 Häusern entstehen. Selbstverständlich liefert ein Häuser-Tile häufig gleich mehrere Häuser und ein Wald-Tile immer einige Bäume, aber dennoch benötigen wir zur Erfüllung einer solchen Aufgabe mitunter sehr viele Tiles.
Wie Bienenwaben erstrecken sich die hexagonalen Felder in möglichst großer Menge über das Spielfeld. Die Menge ist begrenzt und das Erfüllen der Aufgaben wird nicht nur mit Punkten, sondern auch weiteren Spielsteinen belohnt. Wie im realen Leben von Stadtplanern treffen hier der Wunsch auf Individualität und Kreativität auf harte Vorgaben und begrenzen die Vielfalt der Dörfer. Und das geht noch ein Stück weiter: Es braucht das nötige Glück, um die Vorgaben tatsächlich erfüllen zu können.
Die Spielepresse hat Angst vor Sex – und schadet damit dem Medium
Nina Kiel, superlevel.de, 24. März 2021
Man stelle sich folgendes Szenario vor: Urplötzlich verschwinden zahlreiche Produkte von Steam, der größten Vertriebsplattform für digitale Spiele, und niemanden interessiert es. […] Zwar wurde das Thema von betroffenen Nutzer*innen in Online-Foren rege diskutiert, doch die Spielepresse hüllte sich größtenteils in Schweigen. Grund dafür war sicherlich, dass der Bann keine kommerziell erfolgreichen Games […] betraf, sondern Sexspiele.
Grundsätzlich beschäftigen sich Medien mit Themen, die sie für ihre Zielgruppe relevant halten. Umgekehrt erachtet die Zielgruppe das als relevant, was oft und viel in Medien thematisiert wird. Ein Teufelskreis, der von der Kultur noch verstärkt wird. Sex ist ein privates Thema, das nicht öffentlich diskutiert gehört, heißt es. Werbekunden wollen mit kontroversen Themen nur ungern assoziiert werden, zumal die Videospielkultur noch immer stark amerikanisch geprägt ist, in denen dieser Umgang üblich ist. Ist das noch zeitgemäß?
Warum ein taiwanesisches Horrorspiel wegen einer Comicfigur verschwand
Erik Körner, superlevel.de, 02. März 2021
Wäre da nicht eine versteckte Botschaft auf einem Talisman im Spiel, adressiert an Chinas Präsidenten: ‚Xi Jinping, Winnie the Pooh Moron.‘ […] Eine Woche nach Veröffentlichung verschwindet Devotion schließlich aus Valves Online-Shop. Das sorgt wiederum im Westen, in Taiwan und Teilen Chinas für Empörung. War Devotions Verschwinden wirklich notwendig?
In keinem Land gibt es die absolute Freiheit. Und die Bewohner unterschiedlicher Staaten erachten Freiheit als unterschiedlich wichtig. In den USA gilt sie als ein wichtiges Gut, in anderen Ländern gibt es stärkere Grenzen. Aber immer gilt: Es gibt Menschen, die versuchen, die Grenzen zu verschieben und andere, die innerhalb dieser Grenzen zufrieden sind. Und andere sind besorgt, dass das Übertreten von Grenzen zu weiteren Einschränkungen führt ‒ auch für diejenigen, die sich an die Regeln gehalten haben. Bleibt die Frage, wo genau diese Grenze liegt.