Im Deutschen Museum in Bonn dreht sich alles um Naturwissenschaften. Aber in der aktuellen Sonderausstellung rückt den die Meilensteine der deutschen Videospielkultur in den Vordergrund.
Die Augen starren gebannt auf den Bildschirm. Mit einem festen Griff umklammert die rechte Hand den Joystick, während die Finger der linken mit Bewegungsunschärfe auf die Taste hämmern. Der ganze Oberkörper folgt den Bewegungen der Spielfigur bis endliches das Level geschafft ist. So, oder zumindest so ähnlich, ist die klassische Vorstellung von Videospielen. Dass die deutsche Entwicklung mehr hervorgebracht hat, soll die Ausstellung Gameskultur in Deutschland ‒ Meilensteine zeigen.
Videospiele statt Higgs-Boson
Bereits am 07. Mai 2020 eröffnete die Sonderausstellung im Deutschen Museum in Bonn. Es handelt sich bei ihr um eine Wanderausstellung des Deutschen Videospielmuseums aus Berlin. Im Fokus steht dabei die deutsche Videospielgeschichte der vergangenen 40 Jahre. Zwischen reinen Exponaten zur Ansicht, wie etwa der Bundesliga-Manager, Die Siedler oder Anno 1701, sind auch acht Spielstationen mit von der Partie. Die Sonderausstellung findet im Untergeschoss des Museums seinen Platz, gleich neben einem Ausschnitt eines Teilchenbeschleunigers.
Das älteste interaktive Exponat ist Nürburgring Power-Slide der Firma Foerst aus dem Jahr 1982. Ambitionierte Rennfahrer können in dem Spielautomaten hinter dem Lenkrad Platz nehmen und das Spiel fast wie ein echtes Auto bedienen. Im Gegensatz zu seinen Vorgängermodellen verfügt der Power-Slide über eine von einem Elektromotor angetriebene Lenkvorrichtung, die das Sitzgerät computergesteuert zur Seite neigt. So simuliert der Automat die Fliehkräfte während der Kurvenfahrt. Der Realismus hat aber auch seine Grenzen. Dass sich Grafik und Fahrverhalten im Arcade-Bereich bewegen, ist wenig verwunderlich. Schade ist aber, dass die Piste wenig mit der Eifelstrecke zu tun hat.


Den Konkurrenten abknallen
Die jüngsten Titel stammen aus dem Jahr 2008 und sind somit gar nicht mehr neu. Der erste Landwirtschaftssimulator war realitätsnah gestaltet und ordentlich programmiert. Mit ihm begann der Aufstieg des Genres aus dem Trash-Segment. Das Genre der Point-and-Click-Adventures hatte in diesem Jahr seine Hochphase bereits hinter sich. Deswegen mussten sich die Macher von Edna bricht aus etwas Besonders einfallen lassen. Lassen sich zwei Gegenstände nicht kombinieren, weisen die Charaktere in den Adventures mit einer Standardfloskel darauf hin. Edna hat für jede noch so unsinnige Kombinationen einen passenden Kommentar auf den Lippen.
Bei den übrigen Spielen handelt es sich um Turrican, Indiana Jones, Gothic und Moorhuhn. Letzteres ist eigentlich kein kommerzieller Titel, sondern ein Werbespiel für einen schottischen Whiskey-Hersteller. Das Spielprinzip ist simpel. Mit einer Schrotflinte müssen so viele Moorhühner wie möglich erlegt werden. Je nachdem wie schwer sie so treffen sind, gibt es unterschiedliche viele Punkte für den jeweiligen Treffer. Zwar taucht der Markenname nur im Startbildschirm auf, aber die Wahl des Moorhuhns als Zielobjekt ist ein unterschwelliger Hinweis auf die Konkurrenz, die der Spieler besiegen soll. Dessen ungeachtet entwickelte sich das Spiel zu einem kurzweiligen Zeitvertreib; und das nicht nur auf dem privaten Rechner. Kein Wunder also, dass unter der Moorhuhn-Marke noch mehrere Dutzend Spiele erschienen, allerdings ohne Bezug zum Whiskey-Produzenten.
Die deutsche Videospielgeschichte wurde nicht nur in der Bundesrepublik geschrieben. Auch der Osten hat seinen Beitrag dazu geleistet. Repräsentant dieser Leistung ist der Poly-Play des VEB Polytechnik. Acht Spiele stehen zur Auswahl. Nicht alle Spiele waren eigene Erfindungen. Hase und Wolf ist ganz offensichtlich eine Pacman-Kopie und hinter der Schießbude steckt Segas Carnival. Dem Spielspaß schadet das aber kaum, besonders in Anbetracht der Herkunft des Arcade-Automaten.

Ausgerechnet Storygames?
Die Spiele der Ausstellung gehören zu den Meilensteinen und haben ihren Platz dort verdient. Einige von ihnen sind für diesen Zweck aber nur wenig tauglich. Weder Gothic noch Edna bricht aus sind für eine kurze Runde zwischendurch geeignet. Zwar ist das Daedalic-Adventure durch seine besondere Mechanik auch für Einsteiger verständlich, die Geschichte und der besondere Humor bleiben aber in der Gummizelle.
Deutlich besser funktionieren in diesem Kontext Moorhuhn und die Spiele des Poly-Play, die kurzweilige Unterhaltung bieten können und sowohl für alte Hasen und Neueinsteiger funktionieren. Der Power-Slide-Automat ist mit seiner Neigetechnik das Highlight der Ausstellung. Die übrigen, nicht spielbaren, Exponate sind im Vergleich dazu allenfalls Beiwerk. Dennoch runden sie das Gesamtbild ab und stillen den Wissensdurst derjenigen, die einen kleinen Einblick die Geschichte der deutschen Entwickler-Landschaft werfen wollen.

Allein zu wenig, im Paket in Ordnung
Die Ausstellung ist noch bis zum 10. Januar 2021 geöffnet. Der Zutritt erfolgt über die Dauerausstellung und damit über die regulären Eintrittskarten, die am Eingang erhältlich sind. Erwachsene zahlen 9 Euro, der ermäßigte Preis liegt bei 5 Euro. Für die Gameskultur-Ausstellung allein ist das ein wenig happig. Für naturwissenschaftliche Interessierte, die auch an der übrigen Ausstellung Gefallen finden können, lohnt sich die Investition aber durchaus.
Aufgrund der Corona-Pandemie gilt neben der Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auch eine Begrenzung der Besucherzahlen. Die Sonderausstellung darf derzeit von maximal 10 Personen gleichzeitig besucht werden. Pro Spielstation ist nur eine Person oder eine Gruppe desselben Haushalts gestattet.