MARS 3D • Doom – made in China, imported to Germany

Ein chinesischer Shooter aus dem Jahr 1997 taucht plötzlich auf, bei dem die Inspiration von Doom oder Duke Nukem 3D nicht zu übersehen ist. Wir haben einen Blick ins Spiel riskiert.


In sämtlichen Retrospiele-Gruppierungen der sozialen Netzwerke hat sich die Gruppe „Community-Releases“ einen Namen gemacht, wenn es um limitierte Eigenkreationen von Collectors-Editionen geht. Meine Aufmerksamkeit bekamen sie allerdings eher bei den PC-Spielen, etwa die 2017 veröffentlichte Big Box des verschollen geglaubten Warcraft Adventures, welches ein paar Monate zuvor in einer fast vollständigen Version im Internet zu finden war.

Im Jahr 2019 nun das zweite PC-Projekt mit einem Spiel, von dem ich vorher noch nie was gehört habe: 終極戰士 / The Ultimate Fighter, aber auch nur schlicht MARS oder MARS 3D. Das Spiel wurde 1997 von Engine Technology entwickelt, war aber nicht gerade von Erfolg gekrönt, es wurde nicht einmal veröffentlicht.

2013 lud ein Internetnutzer ein Image dieses Spiels hoch und gewährte damit erstmals einen Einblick in das mysteriöse Spiel. 2018 begannen einige Retro-Fans, eine englische Übersetzung und dazu ein neues Coverbild samt Anleitung zu kreieren. Das Ergebnis war ab Februar 2019 in begrenzter Stückzahl für 38 Euro zuzüglich Versandkosten bestellbar, pro Nutzer konnte man sich maximal zwei Exemplare ergattern. Von den insgesamt 100 Stück waren zum Zeitpunkt des Tests immer noch ein paar übrig.

Die Box

Wahrscheinlich hat man zu diesem schon unbekannten Titel vorher noch nie eine passende Big Box gesehen, und wenn erst recht keine auf Englisch. Die Maße entsprechen bis auf ein paar Abweichungen der einer damals handelsüblichen zweiteiligen Eurobox, die Materialanmutung ist allerdings hochwertiger. Auf der Unterseite stehen die Systemvoraussetzungen, daneben findet man einen Barcode, der sich jedoch mit „CA-C1B0-PC2“ vom Standard absetzt. Wie es bei Spieleverpackungen üblich war, werden auch hier auf der Rückseite neben den Features des Spiels auch die Story in Kurzform erzählt. Da es keiner Internetaktivierung bedarf, fehlen hier glücklicherweise sämtliche Hinweise darauf. Was allerdings fehlt, ist eine Nummer, welches Exemplar von 100 man denn hat, so was gab es noch einst bei Warcraft Adventures.

In der Box wartet auf den Spieler neben der hübsch gestalteten CD-Hülle samt CD eine 18-seitige Anleitung und ein DIN-A3-Poster mit der vergrößerten Version des Motivs auf der Vorderseite der Packung. Ein kleiner Hinweiszettel fordert den Käufer auf, das Produkt nicht weiterzuverkaufen, gemäß dem Motto „Think Community“.

Wenn ich auf hohem Niveau meckern möchte, gibt es die winzigen Beanstandungen, dass Fingertappser auf der Anleitung lange sichtbar sind und die CD sich von der Hülle schwer entfernen lässt. Sonst muss man die Arbeit aber sehr loben, es wirkt im Regal so, als habe man eine Spielebox von 1997 darin stehen.

Das Spiel

In der nebligen Suppe lauert die Gefahr hinter jeder Ecke

Natürlich ist die CD in der Hülle keine Deko, es ist eine echte CD mit Daten darauf. Und das Spiel ist nicht etwa eine für heutige Betriebssysteme angepasste Version, es ist die Original-Version. Nur auf Englisch. Da liegt es doch nahe, meine Pentium-133-Kiste mit Windows 95 herauszuholen, um das Spiel auszuprobieren. Wie es bei DOS-Spielen üblich ist, die nach Release von Windows 95 erschienen sind, rät man dazu, das Spiel im DOS-Modus zu spielen, was aber in meinem Fall gar nicht nötig ist, da es auch problemlos unter Windows 95 starten möchte. Die Installation geht recht flott und unkompliziert, das Soundsetup ist aber etwas mühselig.

Das Spiel beginnt mit einem gerenderten Full-Motion-Video-Intro, in dem Raketen gestartet werden und Explosionen auf verschiedenen Punkten der Erde verursachen. Der Spieler steuert einen Soldaten namens Jet Hunter, der sich in der Organisation „New Hope“ engagiert hat, die sich nach der Katastrophe gebildet hat, ehe seine Eltern von Leuten dieser Organisation getötet wurden. Jet Hunter kämpft sich daher durch die Gegenden der Organisation, um die Katastrophe mithilfe einer Zeitreise zu verhindern. Soweit die leicht wirr klingende Story.

„Tracker“ sehen aus wie Überwachungskameras, befeuern aber den Spieler auf den Punkt genau

Die Ähnlichkeiten zu den 90er-Shootern wie Doom oder Duke Nukem 3D sind nicht zu übersehen. Dank Kopfneigung nach oben und unten sowie der Möglichkeit zum Springen fühlt sich die Engine des Spiels etwas fortschrittlicher an. Bis zu 9 Waffen stehen zur Auswahl, von der simplen Uzi bis zum Raketenwerfer, um die 15 unterschiedlichen Gegnertypen zu töten bzw. zu zerstören. Der „Trooper“, der kleidungstechnisch ausschaut wie der Doom-Guy, möchte seinen Hintern abgeknutscht haben, wenn man diesen mit Munition füttert, auch wenn der Ausspruch „KISS MAH ÄSS“ in der Originalversion schlimmer klang. Doch danach möchte man nichts an ihm küssen, denn vor einem liegt nur eine Blutlache. Hätte man über eine Veröffentlichung in Deutschland zu der Zeit nachgedacht, es wäre knallhart indiziert worden.

Auch hier begegnen uns einige Rätsel, so müssen an verschiedenen Orten Schalter gefunden werden, um an einem Punkt weiterzukommen. Manchmal braucht es auch unterschiedlich farbige Keycards, um gewisse Tore öffnen zu können. Den Hinweis dazu geben uns die im Spiel verteilten Forscher, die wild durch die Gegend laufen. Dank „Friendly Fire“ sind sie kugelresistent. Apropos „Tore“: Öffnet man eines, klingt das eher wie das Herunterlassen einer Fensterscheibe beim Auto.

Die statische Aufladung kann zumindest hier tödlich sein

Um die Gesundheit muss man sich im einfachen Schwierigkeitsgrad kaum Sorgen machen. Einerseits lassen die „Elite Trooper“ genannten Gegner Healthpacks fallen, andererseits geht die Gesundheit bis 500. Und wer spätestens an einem Tracker hängen bleibt, der einzelne Geschosse auf den Spieler abfeuert, kann davon jede Menge verlieren. Oder man steht zu nahe an explosiven Fässern. Kritischer wird es eher bei der Munition, die nicht immer irgendwo griffbereit ist. Zur Not kann man sich noch mit ein paar Arschtritten durchs Spiel kämpfen. Und wenn selbst das nicht klappt und der Tod ansteht, kann man sich nochmal zum Start des Levels teleportieren lassen. Lebendig, aber ohne aufgesammelte Ausrüstung. Glücklicherweise kann man frei speichern.

Praktisch ist die Minimap, die sich automatisch aufbaut, sobald wir die Gegend erkundet haben. Im Spiel kann man einige Erweiterungen für diese Minimap aufsammeln, um noch weitere Details wie Gegenstände, Tore oder Gegner zu sehen. Diese gelten allerdings nur für das aktuelle Level, heißt im nächsten Level ist diese Erweiterung weg und man muss sich mit der normalen Karte begnügen.

Gegen Orientierungsschwierigkeiten gibt es eine zoombare Minimap

Als Feature wird außerdem das Schwimmen angegeben. Dabei wird der Bildschirm etwas blaustichiger und man bemerkt einen kleinen Welleneffekt auf dem Bildschirm. Die Höhenanpassung ist allerdings etwas frickelig, das Hinauftauchen umso mehr. Unterwasser kann man sich ebenfalls verteidigen, weil hier ein paar Piranhas den Jet Hunter zum Fressen gern haben. Ewig atmen geht nicht, nach einer gewissen Zeit verliert man Leben.

Man kann vor Beginn des Spiels zwischen drei Schwierigkeitsstufen wählen, von einfach bis schwierig. Was sich mit jedem Schwierigkeitsgrad ändert, ist die Anzahl der Gegner. Man käme so zwar an mehr Items heran, doch um an diese zu gelangen, müsste man sich vorerst durch die schiere Menge kämpfen. Besonders bei den Piranhas wird es gerade im hohen Schwierigkeitsgrad kritisch.

Die Musikuntermalung mit MIDI-Tönen ist durchaus gelungen, auch wenn man diese nicht auf Dauer ertragen kann. Hängt man an einem Level jedoch lange fest, nervt einem die recht kurze Musik, die dann irgendwann wieder von vorne beginnt. Auch die Sounds sind eher mittelprächtig ausgefallen. Auf meinem Testsystem gab es im DOS-Modus keinerlei Musik, die hörte ich wiederum beim Start des Spiels unter Windows 95. Auf einem Highscreen-Rechner aus dem gleichen Jahr wie das Spiel war das Soundsetup mit keiner Einstellung zufrieden, es erkannte bei jeder Option die eingebaute Creative SoundBlaster PCI64 nicht. Im getesteten System befand sich eine Creative SoundBlaster AWE64 Gold, die problemlos erkannt wurde.

Die Systemvoraussetzungen empfehlen einen Pentium 75, 16 MB Arbeitsspeicher und 80 MB Festplattenspeicher. Das Testsystem erfüllt diese problemlos, trotzdem gab es streckenweise in einigen Passagen des Spiels minimal niedrigere Framerates. Wer keinen zeitgemäßen Rechner, dafür aber einen aktuellen PC mit Laufwerk hat, kann logischerweise auch DOSbox zum Spielen verwenden, wo das Spiel ebenfalls problemlos läuft.

Größere Bugs sind während des Anspielens nicht aufgefallen, allerdings gab es beim erstmaligen Laden eines Spielstandes Fehler wie fehlende Text bei den Dialogen mit den Forschern oder schwerwiegendere wie eine kaputte Darstellung der Umgebung. Beim Versuch, sich zu einer anderen Umgebung zu teleportieren (was ohnehin nicht funktioniert hat), stürzte das Spiel unter Windows 95 sogar ab, im DOS-Modus passierte allerdings nichts.

Fazit

Full-Motion-Video-Intro von MARS 3D

Da hat ein 22 Jahre alter unbekannter Doom-Klon aus China eine Identität bekommen dank englischer Übersetzung und einer schicken limitierten Big Box, die hochwertig anmutet und mit standardmäßiger Ausstattung samt A3-Poster daherkommt. So einladend das Cover Art aussieht, so einladend ist auch das Spiel, welches zwar stellenweise etwas trashig anmutet, im großen und ganzen sich aber als solide Inspiration herausstellt.

HINWEIS: Community-Releases bietet das Spiel kostenlos als ISO-Image auf der Website der MARS-3D-Big-Box an.


Testsystem

Betriebssystem:Microsoft Windows 95
Prozessor:Intel Pentium-S 133 MHz
Grafikkarte:Matrox Millennium MGA-2064W
Soundkarte:Creative SoundBlaster AWE64G CT4390
Festplatte:Quantum Fireball SE2.1A 2,1 GB
Arbeitsspeicher:64 MB EDO-RAM

Daten zum Spiel

Titel:MARS 3D
Erscheinungsdatum:1997 (Original), 2018 (englische Version), 2019 (limitierte Box)
Entwickler:Engine Technology
Publisher:Community-Releases
System:DOS
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