Colin McRae Rally • Jede Kurve kann deine letzte sein

Egal ob Sand, Schotter oder Schnee, das Ziel bleibt dasselbe. Dort als Erster anzukommen. Doch hat auch die Rallye-Simulation selbst einen Platz auf dem Podium verdient?


Die Rallye-Simulation Colin McRae Rally wurde vom britischen Unternehmen Codemasters entwickelt und am 15. Juli 1998 veröffentlicht. Es handelt sich dabei um den ersten Teil der gleichnamigen Rennspielserie. Namensgeber Colin McRae wurde 1995 mit 27 Jahren und 109 Tagen jüngster Rallye-Weltmeister und hält diesen Rekord bis heute. 2007 verstarb er in Folge eines Helikopterunfalls. Seit DiRT 3 aus dem Jahr 2011 verzichtet Codemasters auf die Verwendung seines Namens.

Nach dem schwungvollen Intro können im Hauptmenü neben den Einstellungen vier verschiedene Spielmodi ausgewählt werden. Zum einen gibt es dort die sogenannte Rallye-Schule, auf die dort mit der Bezeichnung „Rallye-Schul“ verwiesen wird. Dabei handelt es sich um ein angeleitetes Tutorial, das zunächst auf einem Fernseher die Aufgabe präsentiert, bevor dann selbst ins Steuer des weißen Škoda Felicia gegriffen werden darf. Der Instruktor erinnert dabei stark an einen typischen Fahrlehrer, der seine Enttäuschung besonders zynisch äußert, aber auch gelegentlich lobende Worte findet.

Zwingend ist das Absolvieren der Rallye-Schule allerdings nicht. Wer mag, kann direkt in einen anderen Modus einsteigen. Die Meisterschaft bietet dabei eine ganze Saison aus zusammenhängenden Rennen an. Deren Länge und die Fahrzeugauswahl hängt vom gewählten Schwierigkeitsgrad ab. Anfänglich stehen „Anfänger“ und „Fortgeschrittener“ zur Auswahl. Anfänger können nur die Wagen mit Frontantrieb fahren. Außerdem sind die Anzahl der Gegner und Events reduziert, sowie deren Länge auf drei Etappen begrenzt.
Erst als Fortgeschrittener können alle Rennen mit sämtlichen Etappen und der vollen Gegneranzahl absolviert werden. Einzige Einschränkung: dieses Mal können nur Boliden mit Heckantrieb gewählt werden. Der Gewinn der Meisterschaft auf dieser Stufe schaltet die letzte Option, „Experte“, frei. Damit steht schließlich der gesamte Fuhrpark zur Auswahl bereit.
Unabhängig davon gibt es für die ersten sechs Fahrer nach dem damals üblichen Schema, 10-6-4-3-2-1, Punkte. Um bei folgenden Rennen starten zu dürfen, ist mindestens ein Punkt, also ein sechster Rang, aus dem aktuellen Rennen erforderlich. Andernfalls muss es neugestartet werden.

Auch in den anderen Spielmodi, dem Einzelrennen und dem Zeitfahren, gelten die Schwierigkeitsstufen entsprechend. Dort stehen anfangs nur das erste Rennen zur Auswahl. Weitere Veranstaltungen können erst gefahren werden, wenn sie in der Meisterschaft erfolgreich abgeschlossen wurden. Im Gegenzug steht hier eine Mehrspieler-Option zur Verfügung. So kann lokal mit einem zweiten Spieler im Splitscreen gefahren werden. Dazu bietet die Tastatur eine entsprechende Zweitbelegung, alternativ kann auch ein zweites Steuerungsgerät angeschlossen werden. Darüber hinaus gibt es auch einen Netzwerkmodus, in dem bis zu acht Rennfahrer ihr Talent unter Beweis stellen können.

Die Grafik präsentiert sich die Rallye-Simulation eher bescheiden. Die Texturen von Strecken und Fahrzeugen sind in Ordnung, könnten aber noch ein wenig detailreicher sein. Gleiches gilt auch im Großen für die Umgebungsgestaltung, bei der es an Einfallsreichtum mangelt. Zwar sind die Landschaften an die lokalen Gegebenheiten angepasst, aber jubelnde Fans neben der Strecke, sowie ein richtiges Lager an Start und Ziel dämpfen die Atmosphäre merklich. Andererseits sehen die Effekte von Fahrzeug und Wetter gar nicht übel aus. Sowohl die transparenten, oder je nach Fahrstil zertrümmerten, Scheiben als die auch Linsenreflexion im Gegenlicht sind durchaus hübsche Details, die aber nicht vom Mittelmaß hinwegtäuschen können. Ein tiefer greifendes, optisches Schadensmodell gibt es des Weiteren nicht.

Das Head-up-Display verfügt über alle notwendigen Informationen wie Geschwindigkeit, Gang oder die Platzierung, eine Mini-Karte fehlt allerdings. Stattdessen wird auf die Kombination von Beifahrer und Kurvenindikator gesetzt. Das ist übersichtlich und bildet eine runde Einheit. Abseits davon kann das Rennen aus mehreren Perspektiven gefahren werden. Überraschungen gibt es jedoch keine. Zwei Heckansichten, Stoßstange, Motorhaube und Innenraum stehen zur Wahl. Von letzterer profitieren Rennspiele normalerweise, da sie so der Realität noch einmal ein Stück näher kommen. Colin McRae Rally zeigt aber auf, wie eine Cockpit-Ansicht nicht auszusehen hat. Obwohl es ein grafisch weniger anspruchsvoller Modus ist, weist das Interieur noch weniger Details auf als die Strecke.

Auch die Akustik wirbelt nur wenig Staub auf. Der Motorensound ist zwar grundsätzlich absolut in Ordnung, könnte aber zwischen den einzelnen Autos noch unterschiedlicher sein. Allerdings ist die übrige Geräuschkulisse überwiegend enttäuschend. Unfälle haben klanglich mit verformtem Blech und zersplitternden Scheinwerfern nichts zu tun. Die Abrollgeräusche sind stets dem jeweiligen Bodenbelag angemessen, wirken gleichwohl aber auch generisch und eher bemüht als tatsächlich gekonnt.

Die Steuerung der Fahrzeuge ist einfach, wenngleich die Standard-Belegung der Tastatur auf die Nutzung des Splitscreen-Modus ausgelegt ist. Diese ist im Einzelspielermodus nicht intuitiv und auch für zwei Spieler auf Dauer nicht angenehm, da die Belegung, insbesondere für den zweiten Spieler, jegliche Ergonomie vermissen lässt. Immerhin können die Zuweisungen der Tasten frei geändert werden.

Umso besser gelungen sind dafür aber die Menüs, für die die Entwickler eine gute Lösung gefunden haben. Sie sind nicht zu verschachtelt, gleichzeitig aber auch nicht überladen. Besonders im Set-up-Computer, der vor jeder Etappe aufgerufen wird, ist das besonders wichtig. Hier können abhängig von Wetter und Streckenprofil Einstellungen, darunter Reifen, Aufhängung oder Bremsen, am Fahrzeug vorgenommen werden. Außerdem können leistungsmindernde Beschädigungen repariert werden. Jede Modifikation benötigt Zeit, es stehen aber nur 60 Minuten zur Verfügung. Manchmal müssen daher Kompromisse in Kauf genommen werden.

Erst auf der Strecke selbst herrscht Gewissheit, ob das Set-up zur Strecke passt. Viel mehr sogar ist es für den Rennsieg entscheidend. Jede falsche Einstellung ist direkt im Fahrverhalten spürbar. Aber auch hier entscheidet oftmals ein Kompromiss. Ist die Strecke überwiegend asphaltiert und das Set-up darauf ausgelegt, ist in den Schotterpassagen das eigene Talent gefragt, um den Wagen auf der Strecke zu halten und weiterhin möglichst präzise um die Kurven zu zirkeln. Das gilt im Übrigen auch für das Wetter und die jeweilige Tageszeit.
Zum Anfang mag das nicht ganz einfach sein, doch mit zunehmender Spielzeit entwickelt sich eine Lernkurve aus den eigenen Erfahrungen. So kommt es nicht nur die Geschwindigkeit selbst an, sondern auf auch das Können, ein Rennen planen und lesen zu können. So macht auch noch die zehnte Fahrt auf einer der fordernden Strecken Spaß, weil immer noch irgendwo eine Zehntelsekunde aufzuholen sein könnte.

Colin McRae Rally präsentiert sich als zweischneidiges Schwert. Das Fahrgefühl auf der Strecke fährt vornweg, während Aussehen und Klang eher im Mittelfeld herumdümpeln und um den letzten Punkt kämpfen. Für die perfekte Immersion braucht es jedoch immer beides. So ist es letztlich wieder ein Kompromiss. Wer Realismus und Rennintelligenz schätzt, kommt hier auf seine Kosten. Wem das weniger wichtig ist, greift besser zu einem optisch ansprechenden Arcade-Titel. Nichtsdestotrotz befindet sich unter der rostigen Haube eine mehr als solide Rallye-Simulation.


Titel: Colin McRae Rally
Erscheinungsdatum: 15.07.1998
Entwickler: The Codemasters Software Company Limited
Publisher: The Codemasters Software Company Limited
System: PS, Win
Kaufen: eBay¹

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