Erinnerungen aus den Gehirnen der Menschen herunterladen und nutzbar machen zu können. Es ist die mächtigste Waffe des autoritären Regimes gegen Oppositionelle.
Remember Me ist ein Cyberpunk-Action-Adventure, das als Erstlingswerk des 2008 gegründeten französischen Studios Dontnod Entertainment entwickelt worden ist. Am 07. Juni 2013 veröffentlichte der japanische Publisher Capcom das Spiel zeitgleich für Windows, PlayStation 3 und Xbox 360.
Neo-Paris 2084. Längst arbeiten Roboter und Androiden für die Menschen. Und nun ist das neuste Produkt von Memorize ist auf dem Markt: der Sensen. Er ermöglicht es, seine Erinnerungen auf einen Server hochzuladen, dort zu speichern und zu teilen. Darüber hinaus können mit seiner Hilfe unangenehme Gedanken gelöscht werden. Das System kommt aber nicht ohne Nebenwirkungen aus. Die übermäßige Aufnahme von Erinnerungen macht süchtig und zerstört das Sensen-Implantat. In der Folge mutieren sie zu sogenannten Leapern, die von der Gesellschaft verstoßen in Slums leben.
Nilin findet sich in der Bastille wieder. Hier werden Regimegegner gefangen gehalten und ihre Erinnerungen gelöscht. So auch die von Nilin. Sie erinnert sich an fast nichts mehr, als sich plötzliche eine Stimme über ihr Headset meldet. Es handelt sich dabei um Edge, den Anführer der Erroristen-Bewegung, zu der auch Nilin gehört. Sie ist dort als Gedächtnisjägerin aktiv und besitzt die Fähigkeit, Erinnerungen anderer Menschen zu rauben und zu verändern. So kann sie das Wissen von Feinden nutzen oder deren Erinnerungen zu ihrem Vorteil manipulieren, sie sogar als Verbündete gewinnen. So etwa Olga Serova, die zunächst die Erroristen angriff, ihnen sich aber anschloss, nachdem sie glaubt, dass das Regime ihren Ehemann getötet habe.
Die erste Aufgabe der Erroristin ist es, geheime Codes zu erlangen und damit den Bezirk Saint-Michel zu fluten. So sinkt der Wasserpegel im Slum 404 und Nilin kann zurück in die Bastille eindringen, um dort ihren nächsten Auftrag zu erledigen. Sie soll zurück in die Bastille eindringen und gegen die Leiterin Madame kämpfen, um dort nicht nur ihre Erinnerungen zurückzubekommen, sondern auch die der Gefangenen an sie zurückzugeben und so zu befreien. Schnell stellt Nilin aber fest, dass ihre Erinnerungen noch immer Lücken aufweisen. Nichtsdestotrotz verfolgt sie von nun das letzte, große Ziel, das Zerstören von Memorize und ihrem Gedankenmonopol.
Eine Einführung in die Handlung gibt es nicht. Die braucht es aber auch nicht, denn auch der zu spielende Charakter, Nilin, hat keine Erinnerungen mehr. Neuer Erlebnisse und Erkenntnisse werden also direkt vom Charakter reflektiert. Diese Selbstreflexion zieht sich durch das gesamte Spiel, wird aber in den Sequenzen zwischen den einzelnen Episoden besonders deutlich. Einige Fragen werden von Nilin beantwortet, andere bleiben ohne Antwort und lassen Platz für Interpretation.
Aufgrund Nilins fehlender Erinnerung wird zu Beginn viel Spannung aufgebaut, die dann aber nicht über die Mitte des Spiels hinausgetragen werden kann. Die Handlung wird berechenbar und bedient sich an klischeehaften Elementen, zumal die Charaktere an vielen Stellen übertrieben emotional und dramatisch gestaltet sind, ohne dafür eine tatsächliche Grundlage zu haben. Eher handelt es sich dabei um das Drama einer Familienzusammenführung. Einzig Nilins Darstellung ist über weite Teile des Spiels ernstzunehmend.
Das futuristisch-dystopische Neo-Paris von 2084 verfügt über ein detailliertes und authentisches Aussehen. Es lohnt sich wirklich, stehen zu bleiben und den Blick über die Stadt schweifen zu lassen. Auch das Innere von Gebäuden kann diesen Eindruck bestätigen, ist aber im Vergleich eintöniger. Gerechtfertigt wird das jedoch, durch der Verzicht auf Individualismus in der Gesellschaft der Zukunft. Dass einige Texturen bei näherer Betrachtung etwas verwaschen aussehen, kann durch die realistisch anmutenden Spezialeffekte mehr als kompensiert werden. Aussehen und Bewegungen der Figuren passen ebenfalls in das Gesamtbild.
Bereits durch die Grafik entstand eine dystopische Atmosphäre, die durch den von Olivier Derivière komponierten Soundtrack noch einmal unterstrichen und abgerundet wird. Der bewusste Einsatz unterstützt das Gefühl von Bedrohung und Geschwindigkeit. Er wird aber auch konträr zum Bild eingesetzt, um Nilins distruptive Erinnerungen darzustellen.
Die englische Synchronisation ist durchaus gelungen und verleiht den Charakteren ein lebendiges und natürliches Auftreten. Emotion und Inhalt passen ebenfalls. In der deutschen Variante fehlt es dem etwas, die Figuren sind hier kühler und distanzierter. Teilweise scheint es so, als wären sie nicht aktiv am Geschehen beteiligt.
Die Steuerung von Nilin kann sowohl mit Tastatur und Maus, als auch über ein Gamepad erfolgen und ist in beiden Fällen einprägsam und intuitiv. Umso problematischer ist das Verhalten der Kamera. Diese ist während des Laufens in der dritten Person klassisch hinter Nilin positioniert. In Kletter- und Kampfsituationen entfernt sie sich aber von ihr, um einen besseren Überblick zu erhalten, manchmal aber auch so weit, dass ein präzises Ansteuern eines Objektes oder Gegners nicht mehr möglich ist. Des Weiteren wechselt die Ansicht auch in ungünstigen Momenten die Ausrichtung, sodass Nilian nicht mehr die anvisierte Richtung anpeilt und den Opponenten verfehlt oder gar in den Tod springt.
Wenig ausgereift ist auch das Kampfsystem. Dieses setzt auf die bestimmte Reihenfolge von Tritt- und Schlagbewegungen, den sogenannten Kombos. Der jeweiligen Bewegung dieser Kombinationen kann eine Aktion, genannt Pressens, zugeordnet werden: Schaden verursachen, Gesundheit regenerieren, den Cooldown der Spezialfähigkeiten reduzieren oder das vorherige Element verstärken. Anfangs verfügt Nilin nur über eine dreischrittige Kombo, später werden längere freigeschaltet. Hinten platzierte Pressens sind stärker, sodass lange Kombos besonders davon profitieren.
Allerdings ist es wenig sinnvoll, sich die längeren Kombinationen nutzen zu wollen, da diese in Gegenwart mehrerer Gegner nur schwer ausführbar ist. Besser wäre es gewesen, wenn mehrere Kombos der gleichen Länge konfiguriert werden können. Und obwohl die Kämpfe mit diesem System auf einen möglichst starken Fluss der Bewegungen ausgelegt ist, sieht es das Spiel vor, dass die Kombos inmitten eines Kampfes in einem Menü umgestellt werden. So verliert die Idee des flüssigen Kampfes gleich wieder an Substanz und zerstört sich gewissermaßen selbst.
Gelungen sind hingegen die Spezialfähigkeiten Nilins, die sogenannten S-Pressens. Im Verlauf des Spiels werden davon fünf freigeschaltet, die zu jedem beliebigen Zeitpunkt eingesetzt werden können. So können Feinde schneller attackiert, zu Verbündeten gemacht oder sogar direkt ausgeschaltet werden. Insbesondere bei vielen oder starken Feinden ist das nützlich, macht den Kampf aber nicht weniger anspruchslos. Um die S-Pressens einsetzen zu können, muss Nilin über ausreichend Fokus verfügen, den sie durch klassisches Kämpfen erhält. Da manche Gegner nur mit Spezialfähigkeiten zu erledigen sind, muss hier entsprechend geplant werden.
Insgesamt kann Remember Me vor allem mit der Grafik und dem Sound punkten, die gemeinsam eine schöne und glaubhafte, dystopische Atmosphäre erschaffen konnten. Die anfangs spannende Handlung ist spätestens ab der vierten Episode vorhersehbar und wenig einfallsreich. Das Gameplay kann mit dem Manipulieren und Wiederabrufen von Erinnerungen positive Akzente setzen, die aber wegen des dürftigen Kampfsystems untergehen. Für Liebhaber des Settings kann sich ein Durchspielen lohnen, alle anderen können dem Spiel aber auch fernbleiben. Wirklich interessant sind aber die Fragen, die das Spiel im Hinblick auf die gesellschaftliche Entwicklung aufwirft.
Titel: | Remember Me |
Erscheinungsdatum: | 07.06.2013 |
Entwickler: | Dontnod Entertainment |
Publisher: | Capcom |
System: | PS3, Win, X360 |
Kaufen: | PlayStation Store, Steam, Xbox Marketplace |
Test-System kursiv